„Abschiebehaft ist dann rechtmäßig, wenn Rückführungen tatsächlich stattfinden“, sagt der Europarat. Österreich hält sich jedoch auch in Corona-Zeiten nicht daran. Manche Gefangene traten bereits in Hungerstreik.
Bereits im März rief die Menschenrechtskommissarin des Europarates dazu auf, die Lage der Menschen in Abschiebehaft zu prüfen und diese nach Möglichkeit freizulassen, da zeitnah keine Abschiebungen durchführbar wären. Zudem solle davon abgesehen werden, neue Haftbefehle auszustellen, wenn keine Abschiebung möglich ist. In der Grundsatzerklärung des Europarates zur Behandlung von Personen im Freiheitsentzug im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie vom März 2020 wird auf Alternativen zum Freiheitsentzug hingewiesen, die von den Behörden zu nutzen sind – wie in Österreich etwa das „gelindere Mittel“, das heißt die regelmäßige Meldung bei der Polizei.
Während andere europäische Länder diesem Appell gefolgt sind, hat sich Österreich geweigert, diese Vorschläge ernst zu nehmen und umzusetzen. Menschen wurden und werden trotz nicht absehbarer Abschiebung weiterhin in Schubhaft gehalten und weiter inhaftiert.
Dass es überhaupt Abschiebungen gibt, ist ethisch zu hinterfragen. Doch in der Corona-Ausnahmesituation erfüllen die Inhaftierungen nicht einmal ihre rechtliche Zweckmäßigkeit.
Der Standard berichtete Anfang Mai von einem Charter-Flug nach Georgien. Das Innenministerium sagt in dem Bericht, es gäbe derzeit vor allem vereinzelt Abschiebungen, doch verrät nicht wohin. Es ist wohl nicht auszuschließen, dass diese Aussage nur für potenzielle Wähler*innen getroffen wurde.
„Montag beginnt die Hoffnung – Freitag stirbt sie“
Manche der Gefangenen sind bereits seit vielen Monaten in Schubhaft. Generell beträgt die Höchstinhaftierungsdauer 18 Monate. Die Menschen in Schubhaft leben im Ungewissen. Sie wissen nicht, wann es wie weiter geht. Das ist psychisch höchst belastend und zermürbend. Das ist ein großer Unterschied zu Menschen, die in Verwaltungsstrafhaft oder Strafhaft sind, die zwar auch die schwierige Situation der Haft erleiden müssen, aber immerhin über die Länge ihres Aufenthalts Bescheid wissen. (Anm.: Das gilt nicht für inhaftierte Drittstaatsbürger*innen, gegen die in Österreich mittlerweile regelmäßig Festnahmeaufträge für eine Anschlussschubhaft erlassen werden – ohne Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens). Zur Ungewissheit hinsichtlich der Dauer der Festnahme kommt noch, dass viele der in Schubhaft Gefangenen ihre Familien und ihre Heimat in Österreich haben und ihre mögliche Abschiebung „nach Hause“ so erleben, „als würde man einen Österreicher nach Afrika abschieben“.
„Wir werden nicht als Menschen angesehen“
Zwar soll es in der Schubhaft beim Personal auch einige nette Personen geben, aber in der Regel werden sie schikaniert, berichten Gefangene aus einem Polizeianhaltezentrum. Aussagen wie „Schleich dich nach Hause!“ oder „Warum bist du überhaupt hierher gekommen?“, sind die Regel. Manche verlieren irgendwann die Nerven. Ein Aufenthalt im „Keller“, eine Sonderform der Einzelhaft als Bestrafung ist die Folge.
Auch das in der Grundsatzerklärung des Europarates erwähnte Recht auf täglichen Zugang ins Freie (von mindestens einer Stunde) werde nicht regelmäßig umgesetzt. Die Gefangenen beschreiben, dass sie mal hinaus können, mal nicht; die Umsetzung der sogenannten Freizeit sei vom „good will“ der Polizist*innen abhängig und finde eben nur manchmal und immer nur zellenweise statt. Den Rest des Tages sind die Gefangenen in den Zellen eingesperrt.
„Gesundheit für Alle!“
Aus Hoffnungslosigkeit sind bereits einige Gefangene in Hungerstreik getreten, sowohl im PAZ Hernals wie auch im PAZ Rossauer Lände. Aufgrund der Berichte über Hungerstreiks, zugenähte Münder und der Nichtgewährung von Freizeit hat die Volksanwaltschaft nunmehr eine Prüfung eingeleitet. Es scheint jedoch sehr schwierig an Informationen von drinnen zu gelangen, wenn keine aufsuchenden Prüfbesuche stattfinden und lediglich die Akten des Bundesministeriums für Inneres als Prüfgrundlage herangezogen werden.
Die Initiative „Rückkehrzentren schließen“ ruft zur sofortigen Enthaftung der Menschen in Schubhaft auf. „Im Gefängnis kann der Schutz vor einer Verbreitung von Covid-19 nicht gewährleistet werden.“ Das Recht auf unversehrte Gesundheit habe für alle Menschen zu gelten, Neuinhaftierungen würden die Situation nur verschlimmern.
„Alles, was man tut, ist besser als nichts“
Seit Wochen finden Spontankundgebungen vor den zwei Wiener Polizeianhaltezentren statt, auch am 1. Mai wurden die Gefangenen nicht vergessen. Aktuell läuft eine Petition zur sofortigen Enthaftung der Schubgefangenen, die unter auf der Plattform mein.aufstehn.at unterzeichnet und geteilt werden kann. Erwähnt sei auch eine Petition, die fordert alle fremdenpolizeiliche Maßnahmen während der Corona-Krise auszusetzen, da diese die Behandlung von Verdachtsfällen erschweren: undokumentiertgesund.at/petition
Ein Spendenaufruf für Menschen in den Polizeianhaltezentren ist auf gofundme.com zu finden. Die Idee ist eine zellenweise Unterstützung von je sechs Menschen mit 50 Euro.
Autor der Redaktion bekannt.
Titelbild: Comfreak auf Pixabay
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