Ein Europarat-Report kritisiert zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Österreich und benennt rechtskonservative Politiker als Hauptschuldige. Auch Wien antwortet mit einer großen Anti-Rassismus-Demo.
Von R. Manoutschehri
Auch wenn gerade die Kritik am systemischen Rassismus der Trump-USA Medien und Gemüter beherrscht, müssen gerade wir Österreicher uns daran erinnern, auch „vor der eigenen Türe zu kehren“.
Denn viele Kritikpunkte und Missstände sind auch hierzulande anzutreffen, wie der Report einer Expertengruppe der „Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz“ (ECRI) warnt. Auch in Österreich gibt es seit der Flüchtlingskrise und dem Einzug von Rechtspopulisten bis in die Regierung wieder „ein Rassismus-Problem“.
„Es gibt einen hohen Grad an Islamophobie und der öffentliche Diskurs ist immer fremdenfeindlicher geworden. Auch ein Anstieg von Antisemitismus sei festzustellen. Politische Reden haben äußerst spaltende und antagonistische Grundtöne angenommen, insbesondere in Bezug auf Muslime und Flüchtlinge“, kritisiert der ECRI-Report und benennt Politiker als Hauptschuldige.
Die Ankunft einer großen Zahl von Asylsuchenden während der europäischen Flüchtlingskrise im Jahr 2015 ging auch einher mit einer Eskalation von Einstellungen, die sich gegen Einwanderer und Muslime richteten, wobei die Neuankömmlinge von Rechtspopulisten als Bedrohung der Sicherheit, der nationalen Identität oder Kultur dargestellt wurden, heißt es im sechsten Länder-spezifischen Bericht des Anti-Diskriminierungsausschusses, der die Einhaltung der Menschenrechte in den EU-Mitgliedsstaaten überwacht und dokumentiert.
Dieser konfliktreiche Diskurs war bei Wahlkämpfen besonders intensiv, da auch Medien verstärkt über rassistische Aussagen von Mitgliedern rechtsextremer Parteien berichteten. Bei der Nationalratswahl 2017 erreichte die FPÖ, eine rechtspopulistische Partei, die offen Ideen wie die von der „natürlichen” Dominanz „gebürtiger” Österreicher verbreiteten und sich gegenüber Flüchtlingen und anderen Minderheitengruppen feindselig äußerten, 26% der Stimmen und wurde zum Koalitionspartner der Bundesregierung. Dem Bericht zufolge wirkte sich der Diskurs der FPÖ auch negativ auf die anderen politischen Parteien aus, v.a. auf die konservative Volkspartei ÖVP.
All dies resultierte in einem „hohen Ausmaß” an Islamophobie, welche sich immer häufiger in einem fremdenfeindlichen öffentlichen Diskurs widerspiegelte, um schließlich auch in physischen Folgen auszuarten. So finden nach wie vor Meldungen mutmaßlicher Praktiken von ethnischem Profiling (Racial Profiling) durch die Polizei statt, insbesondere in Bezug auf Dunkelhäutige und Muslime, und ein signifikanter Anstieg bei gleichzeitiger Untererfassung von Hassdelikten sei zu verzeichnen.
Darüberhinaus führten Gesetzesänderungen unter Schwarz-Blau zu signifikanten Einschränkungen von Integrationsmaßnahmen. So hat u.a. die Verabschiedung des Gesetzes zur Einrichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Juni 2019 ernste menschenrechtliche Fragen aufgeworfen. Hier müsse sichergestellt werden, dass Asylsuchende durch eine vollständig unabhängige Einrichtung kostenlose Rechtsberatung und -hilfe erhalten, so die Experten, die u.a. auch vorschlagen, das im Mai 2019 beschlossene Kopftuchverbot an Volksschulen neu zu überdenken.
Hass im Web – nur die Spitze des Eisbergs
Viele Meldungen von rassistischer Diskriminierung betreffen Internet-Delikte, vermeldete auch der österr. Rassismusreport der ZARA-Beratungsstelle für Betroffene, deren Berichte auch in den ECRI-Report einfließen. 2019 gingen knapp 2000 Meldungen bei der NGO ein und seit Beginn der Corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen stiegen rassistische Fälle im Online-Bereich sogar auf 87 Prozent an.
Die aktuelle Unsicherheit ist ein idealer Nährboden für rassistische Narrative und wird genutzt, um an rassistische Stereotype anzuknüpfen und Angst zu verbreiten. Alleine seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen sind 93 Meldungen von rassistischer Diskriminierung mit Corona-Bezug bei ZARA eingegangen. Insgesamt richteten sich seit Mitte März 43% der gemeldeten Vorfälle gegen geflüchtete Menschen, also gegen Personengruppen, die seit Jahren überdurchschnittlich stark von Rassismus betroffen sind. Und dass die gemeldeten Fälle bestenfalls nur die Spitze eines ungleich größeren Eisberges sind, muss jedem klar sein, so ZARA in einer Aussendung.
ECRI fordert Ethik- und Verhaltenskodex für Politiker
Selbstregulierung könnte ein geeigneter und effektiver Ansatz im Umgang mit Hassrede sein, sind sich die Experten des Europarats sicher. Menschen, die Hassrede benutzen, gehören häufig auch Organisationen an, sowohl öffentlichen als auch privaten, u.a. Parlamente, politische Parteien, Unternehmensverbände, Kultur- und Sportvereinen. Es liegt in der Verantwortung dieser Organisationen klarzustellen, dass der Einsatz von Hassrede durch Personen, die mit ihnen verbunden sind, inakzeptabel ist, und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Einsatz zu verhindern und zu sanktionieren.
ECRI betont insbesondere die Notwendigkeit von Verhaltenskodizes im Rahmen der Selbstregulierung, da es in Österreich für Mitglieder des Parlaments keinen Ethikkodex oder formelle Verhaltensregeln gibt, lediglich unbestimmte „Grundsätze“. Als Akteure eines demokratischen politischen Prozesses sollten politische Führungskräfte und Mitglieder des Parlaments aufgefordert werden, diese Frage mit dem Ziel zu prüfen, den Einsatz von Hassrede zu bekämpfen, wobei sie sich von der Charta der europäischen politischen Parteien für eine nicht rassistische Gesellschaft und der Arbeit der Parlamentarischen Versammlung des Europarats inspirieren lassen und entsprechende Verhaltenskodizes annehmen sollten.
„Alle politischen Parteien des Landes sollten Verhaltenskodizes verabschieden, die den Gebrauch von Hassrede verbieten und ihre Mitglieder und Anhänger dazu aufrufen, sich derer nicht zu bedienen.“
Rat zu Ehrenkodex, Menschenrechtsbildung & Antidiskriminierungs-Gesetzen
ECRI stellt fest, dass das Problem von Hass im Internet auch mit der Verbreitung so genannter Fake News einhergeht, welche nach wie vor auch gegen andere Gruppen und Minderheiten gerichtet sind. Anonyme hetzerische Kommentare gegen LGBTI und Dunkelhäutige sind auch auf den Seiten sozialer Netzwerke und in benutzergenerierten Inhalten allgegenwärtig, ebenso Beleidigungen in Bezug auf Roma. Medienportale wie „Wochenblick“, „alles roger“ und „unzensuriert“ wurden dabei als Beispiele genannt, die zahlreiche Inhalte fremdenfeindlicher und antisemitischer Natur veröffentlicht haben, welche z.T. auch Rügen des österreichischen Presserats nach sich zogen.
In Bezug auf die Medien und das Internet, wo der Großteil von Hassrede generiert wird und effektiv bekämpft werden kann, empfiehlt ECRI sowohl eine Regulierung als auch eine Selbstregulierung, die ihre besondere Signifikanz bei der Bekämpfung von Hassrede widerspiegelt, aber gleichzeitig sicherstellt, dass dieses Vorgehen nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Wir müssen für eine bessere Aufdeckung von Hass im Internet sorgen und zur Unterstützung von Menschen, die Opfer dieses Hasses werden, beitragen. Dass 2016 Cyber-Mobbing als Straftatbestand eingeführt und seit 2018 in sozialen Netzwerken Hassrede innerhalb von 24 Stunden zu löschen ist, sei bereits ein wichtiger Fortschritt auf diesem Weg gewesen.
In Bezug auf die Presse stellt ECRI fest, dass das Selbstregulierungsgremium, der Presserat, zwar flächendeckend vertreten ist, doch obwohl die Anzahl der Beschwerden steigt, könne der Presserat seine Entscheidungen nicht durchsetzen und v.a. Medien, die den Ehrenkodex nicht freiwillig mitunterzeichnen, sind nicht verpflichtet, etwaige Rügen zu veröffentlichen. Dem Bericht zufolge ist dieses Gremium aufgrund fehlender Sanktionsmöglichkeiten größtenteils ineffektiv beim Umgang mit Sorgen potenzieller Opfer von Hassrede und stigmatisierten Gruppen in den Medien – und Bedarf jedenfalls einer Stärkung seiner Interventionsmöglichkeiten.
ECRI empfiehlt den Behörden, sowohl auf nationaler als auch auf Bundesländerebene, Gesetzesänderungen mit dem Ziel durchzuführen, eine einheitliche Antidiskriminierungsgesetzgebung zu erreichen, die alle Bereiche abdeckt, welche in der Allgemeinen politischen Empfehlung Nr. 7 der ECRI enthalten sind. Für Polizeikräfte sei eine Weiterbildung zum Thema Racial Profiling unerlässlich und die Volksanwaltschaft sollte ihre Befugnisse einsetzen, um bei Fehlverhalten durch die Polizei zu ermitteln. Menschenrechtsbildung solle außerdem zu einem integralen Bestandteil des Schullehrplans aller Stufen werden und eine Grund- und Weiterbildung von Lehrkräften in von Vielfalt geprägten Klassen sowie den effektiven Umgang mit Mobbing und Diskriminierung sei zu stärken.
Demo in Wien #BlackLivesMatter
Die Wichtigkeit, rassistischen Tendenzen entschlossen entgegen zu wirken, unterstrich auch die heutige Kundgebung in Wien beim Omofuma Denkmal am Platz der Menschenrechte – Asylwerber und Schubhäftling Marcus Omofuma wurde damals im Mai 1999 ebenfalls Opfer von sinnloser Polizeigewalt. Die Demonstration, an der rund 50.000 Menschen teilnahmen, war Teil der gerade in vielen Ländern auf drei Kontinenten stattfindenden Proteste anläßlich des gewaltsamen Todes von George Floyd am 26. Mai in Minneapolis.
„Wir sehen, dass Polizeigewalt, Rassismus und racial profiling auch in Österreich an der Tagesordnung stehen. Zudem kommt, dass die politische Rechte und Boulevard-Medien Polizeigewalt verharmlosen, rechtfertigen und mit Notwehr gleichstellen. Wir wehren uns bedingungslos gegen jegliche rassistische Mobilmachung und jegliches Wording, das meint, die Polizisten hätten aus „Notwehr“ gehandelt! Polizeigewalt gegen People of Color existiert und wir stellen uns laut dagegen“, so die Veranstalter im Namen einer Mehrheit österreichischer Bürger, die jede Form von Alltagsrassismus nur als kontraproduktives Relikt mittelalterlicher Vorstellungswelten ablehnen.
Diese Stellungnahmen zu aktuellen Rassismusdebatten sind klug, klar und umfassend, sodass die Meinung und Haltung deutlich wird. Besonders freut mich die Forderung danach, sowohl einen Ethilk- und Verhaltenskodex für Politiker zu verlangen als auch, dass die
Einführung von Ethik- und Menschenrechtsbildung zu einem integralen Bestandteil des Schullehrplans aller Stufen werden muss und eine Grund- und Weiterbildung von Lehrkräften in von Vielfalt geprägten Klassen für das Lehren und Erlernen eines effektiven Umgangs mit Mobbing und Diskriminierung dringend notwendig sei.
DAS KANN NICHT OFT GENUG UND NICHT DRINGEND GENUG VERLANGT WERDEN, DAMIT ES WIRKLICHKEIT WIRD UND DIE MEISTEN VON UNS DAS LEBEN WIEDER ANSTÄNDIG MEISTERN KÖNNEN!
Danke für Eure klugen und wichtigen Artikel!
Am Fr. 19.5.2006 wurde von Radio Antenne Salzburg in den 19-Uhr-nachrichten ein hoher BZOe-funktionaer (ich glaube, es war der burgenlaendische Spitzenkandidat) gefragt, wer BZOe-obmann wird.
Antwort: das wird zum gegebenen Zeitpunkt bekanntgegeben und: „Kommt Zeit, kommt Rat, kommt ATTENTAT“.