Treibhausgase steigen um 1,8 Prozent. Industrie und Verkehr sind hauptverantwortlich. Und die Politik.
Von R. Manoutschehri
Österreich verfehlt seine Klimaziele erneut. Als eines der rückständigsten Länder im gesamten EU-Raum schaffen wir seit Jahren keinerlei Reduktion bei den CO2-Emissionen. Im Gegenteil – das Umweltbundesamt errechnete einen weiteren Anstieg um 1,8 Prozent.
Fachleute, Umwelt- und Klimaschützer verzweifeln langsam an einer leeren Ankündigungspolitik ohne Plan, ohne Weg und ohne Ziel. In den Köpfen der Verantwortlichen ist der Klima-Notstand noch nicht angekommen, obwohl es erklärtes Ziel Österreichs ist, bis 2040 klimaneutral zu werden.
Die wichtigsten Daten der THG-Bilanz
Hinter dem Namen „Nowcast 2020“ verbirgt sich eine Prognose auf den jährlichen Bericht des Umweltbundesamtes über die Luftschadstoff- und Treibhausgasproduktion in Österreich. Nach diesen vorläufigen Erhebungen wurden im Jahr 2019 rund 80,4 Millionen Tonnen Treibhausgase (THG) emittiert.
Gegenüber dem Jahr 2018 bedeutet das eine Zunahme von 1,8 Prozent bzw.1,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent, wofür vor allem Industrie und Verkehr verantwortlich zeichnen.
Mit insgesamt rund 50,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent lag die Summe aller Treibhausgas Emissionen (außerhalb des Emissionshandels) mit etwa 2,4 Mio. Tonnen zum dritten Mal in Folge über dem jährlichen Zielwert bzw. Höchstmenge gemäß EU ESD und nationalem Klimaschutzgesetz. Und dies obwohl 2019 ein sehr durchschnittliches Jahr war, bezogen auf Wirtschaftswachstum (1,6 % real), Bevölkerungswachstum (0,4 %) und nur geringfügig gestiegenen Heizgradtagen (+ 1,4 %).
Im Gebäudesektor blieben die THG-Emissionen daher trotz Bevölkerungswachstum durch den Ausbau Erneuerbarer Energien annähernd konstant. Wohingegen der höchste sektorale Anstieg im Sektor Energie und Industrie (inkl. Emissionshandel) mit einem Plus von 1,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent bzw.+ 3,7 % zu verzeichnen war.
Im Sektor Verkehr stiegen die Emissionen aufgrund zunehmender Fahrleistung im Straßenverkehr (Anstieg im Güterverkehr um 1,7 %). Dieser Anstieg erfolgte kontinuierlich seit 2014 aufgrund der wirtschaftlichen Konjunktur, erhöhtem Transportaufkommen und der mangelnden Entkoppelung zwischen Fahrleistung und Emissionen.
Die THG-Emissionen des Straßenverkehrs nahmen insgesamt um ca. 0,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent bzw. um 1,2 % gegenüber dem Vorjahr zu, wovon ca. 0,25 Mio. Tonnen auf die Zunahme beim Dieselverbrauch entfielen. In der Betrachtung längerer Zeiträume wird der Anstieg noch deutlicher: Seit 1990 hat der Verkehrssektor um 10,4 Mio. Tonnen zugelegt.
Die THG-Emissionen in der Landwirtschaft hingegen nahmen voraussichtlich um rd. 1,3 % ab. Weniger Mineraldünger-Verwendung (–8,1 % im 2-Jahressmittel) und weniger Rinder (–1,7 %) führten zu rückläufigen Emissionen und auch in der Abfallwirtschaft setzt sich der rückläufige Trend von Methan aus Deponien fort. Aufgrund von witterungsbedingten höheren Erträgen bei Getreide kam es allerdings zu vermehrten Ernterückständen und somit zu höheren Lachgas-Emissionen aus Böden.
Umwelt- und Klimaschützer verlieren Geduld
Nach Bekanntwerden der neuen Inventurdaten erfolgte umgehend breite Kritik aus Fachwelt und Zivilgesellschaft, die der Regierung längst detaillierte Vorschläge und Handlungsempfehlungen zur Bewältigung der Klimakrise auf den Schreibtisch gelegt hatten. Vergeblich.
Deutlich fiel etwa die Kritik des Klimavolksbegehrens aus: „Die österreichischen Emissionen steigen weiter und das Land verteidigt seine europäische Schlusslichtposition. Während bei Budgetfragen gerne die Botschaft gesendet wird, dass zukünftigen Generationen keine neuen Schulden aufgehalst werden dürfen – gilt bei den Emissionen offenbar das Gegenteil. Wie schon beim EU-Gipfel bremst Österreich nicht nur in der Vergabe von Geldern, sondern auch beim Klimaschutz. Beides ist fatal.
Österreich wäre nicht nur unionsrechtlich verpflichtet, diesen Trend umzukehren, sondern auch uns als BürgerInnen. Wenn es so weitergeht, werden es die Menschen in Österreich in allen Belangen zu spüren bekommen – dem einen schwemmt es das Haus weg, dem anderen trocknet es die Ernte aus, alle leiden unter der Hitze und am Ende des Tages wird nichts mehr so sein, wie bisher. Wir Menschen tragen dann die Rechnung für das Versagen der österreichischen Regierung.
Während die Menschen aufstehen und bereit sind, in eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft zu starten, werden von Seiten der Politik nicht einmal die eigenen Versprechen eingehalten“, sagt Sprecherin Katharina Rogenhofer mit Blick auf die Taskforce für eine ökologische und soziale Steuerreform. „Auch die Liste der Milliarden, die noch immer in die Förderung von klimaschädlichem Verhalten gesteckt wird, ist weiterhin nicht erstellt, geschweige denn sind diese gestrichen worden.“
Um Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, wird eine Politik der kleinen Schritte und Leuchtturmmaßnahmen nicht mehr ausreichen. Laut Grazer Wegener Center müssten dazu alljährlich 4 Millionen Tonnen CO2 weniger emittiert werden.
„Wenn der österreichische Bundeskanzler sich allerdings aktiv für massiven Kürzungen der EU-Gelder für Forschung und Klimaschutz einsetzt, ist die Ernsthaftigkeit fraglich. Bei solcher Fahrlässigkeit helfen alle Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz nichts.“
Die Vorschläge liegen auf dem Tisch
Global 2000 bezeichnet die österreichische Klimapolitik als „fortwährend absolut inakzeptabel“ und so dürfe sie auf keinen Fall fortgeführt werden. Geschäftsführerin Agnes Zauner appelliert: „Es braucht einen sofortigen Ausbau der emissionsfreien Mobilität, CO2-freie Schnellverbindungen innerhalb Europas, den Austausch von Ölheizungen, eine europaweite gerechte Flugticketabgabe, eine jährliche Klimaschutzmilliarde für den Sanierungsbereich, die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen und eine vorgezogene ökologische Steuerreform. Auch für die Industrie benötigen wir adäquate Strafen bei Überschreitungen der CO2-Ziele.“
Für den VCÖ ist diese Treibhausgasbilanz eine Blamage für den Verkehrsbereich: „Zum 5. Mal in Folge sind die CO2-Emissionen des Verkehrs gestiegen statt zu sinken, die Emissionen des Güterverkehrs haben sich seit dem Jahr 1990 mehr als verdoppelt, allein der Lkw-Verkehr verursacht bereits mehr Emissionen als der gesamte Gebäudesektor. Die Klimaziele sind nur erreichbar, wenn auch der Güterverkehr auf Klimakurs gebracht wird.“
Und Greenpeace ergänzt: Der Verkehrssektor legt ungebremst an Klimaschädlichkeit zu und liegt mittlerweile bei einem Anstieg an klimaschädlichen Emissionen von über 70% gegenüber 1990. Zudem trägt die nur schleppende Abkehr von klimaschädlichen Energieformen wie Öl und Gas zu Österreichs mangelhafter Performance in Sachen Klimaschutz bei.
„Österreich hat es die letzten 30 Jahre verschlafen, echte Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten. Unter Führung der ÖVP wurde stattdessen jahrzehntelang jährlich noch mehr heiße Luft produziert und auf PR-Projekte und Scheinlösungen gesetzt. Dafür bekommen wir jetzt schwarz auf weiß die Rechnung serviert“, so Energieexpertin Jasmin Duregger.
„Die neue Bundesregierung muss nun beweisen, dass sie ihr Versprechen, endlich das Ruder herumzureißen, ernst meint und voll auf Klimakurs setzen. Die erste Feuerprobe stellt dabei der Umgang mit den Folgen der Corona-Krise dar, die innerhalb kürzester Zeit die Freisetzung hoher Mittel nötig gemacht haben. Die Bundesregierung muss nun sowohl beim Einsatz dieser Mittel, als auch bei der Finanzierung der Corona-Hilfsmaßnahmen und Konjunkturpakete, Klimaschutz eine zentrale Rolle geben. Der Ausbau von erneuerbarer Energie und klimafreundlichem Verkehr ist das Gebot der Stunde.
Nur durch eine rasch umgesetzte, ökologische und soziale Steuerreform, kann garantiert werden, dass der längst überfällige Kurswechsel in Österreichs Klimapolitik nicht nur umfassend genug ausfällt, sondern auch so fair ausgestaltet wird, dass er alle Menschen mitnimmt. Jede und Jeder muss sich leisten können, einen Beitrag zu leisten, dazu braucht es Umverteilung im Zuge der angekündigten Steuerreform.“
Der WWF fordert ein zusätzliches Akut-Programm gegen die Klimakrise: Den Klimasünder Verkehr ausbremsen, Steuersystem ökologisieren, umweltschädliche Subventionen abbauen. „Eine faire CO2-Bepreisung und das Streichen des Dieselprivilegs sind ein absolutes Muss. Parallel dazu gehören der öffentliche Verkehr und die Radwege massiv ausgebaut. Zudem muss ein wirksamer Klima-Check neue Autobahnen und Schnellstraßen verhindern, die neue Abhängigkeiten vom fossilen Verkehr erzeugen“, sagt Klimasprecher Karl Schellmann.
„Positive Initiativen wie das 1-2-3-Ticket müssen in eine größere Mobilitätswende eingebettet sein. Daran führt kein Weg vorbei.“ Und nicht zuletzt gibt es auch im Naturschutz große politische Versäumnisse: Intakte Flüsse und Kohlenstoffsenken werden rücksichtslos weiter verbaut und ausgebeutet anstatt umfassend bewahrt und klimafit gemacht zu werden.
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