Hat Wien ein Problem mit leerstehenden Häusern und Wohnungen? Es wäre an der Zeit für eine Neubewertung. Die Forderung nach einer Leerstandsabgabe für Wohnungen erklärt.
Von Katharina Egg („Moment“)
Städte wachsen und Mieten wird deshalb auch in den meisten Städten immer teurer. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Wohnungen und ganze Häuser, die lange leer stehen: Jeder kennt die Nachbarwohnung im Haus von Freunden, die seit fünf Jahren renoviert wird. Oder das Zinshaus, wo sich Erben nicht einigen können, was damit passieren soll. Und dann gibt es da noch den spekulativen Leerstand. Immobilien und Wohnungen sind auch Anlageprodukt.
Die Leerstandsabgabe erklärt
Steht zu viel leer, wird Wohnraum noch knapper und damit teurer. Leerstand kann also zu höheren Mieten führen. Immer wieder gibt es daher die Forderung eine neue Steuer einzuführen, eine Leerstandsabgabe. BefürworterInnen wollen so BesitzerInnen dazu bringen, ihre Wohnungen und Häuser auch wirklich zu vermieten. GegnerInnen befürchten einen zu starken Eingriff in privates Eigentum und die persönlichen Rechte.
Auf jeden Fall ist so eine Abgabe eine Möglichkeit um den Immobilienmarkt zu steuern, sagt Robert Musil dazu. Er forscht an der Akademie der Wissenschaften zu Stadt und Immobilienmärkten. Man will damit Wohnraum wieder auf den Markt bringen, ihn “mobilisieren”, wie es in der Fachsprache heißt.
Keine Daten für Wien
Um zu wissen, ob eine Leerstandsabgabe für Wien sinnvoll ist, fehlen laut Musil die Daten. Denn: “Ob Wien ein Problem mit Leerstand hat, weiß niemand so richtig.” Um das herauszufinden, müsste man erst einmal wissen, wie viele Wohnungen leer stehen.
Schätzungen zu Wohnungs-Leerstand unterscheiden sich enorm, von 30.000 bis 100.000 leerstehenden Wohnungen reicht die Bandbreite. Im Gegensatz zur Schweiz und in einigen deutschen Städten gibt es in Österreich keinen verpflichtenden und einheitlichen Leerstandsmelder.
2015 gab es die letzte Erhebung der Stadt zum Wohnungsleerstand. Demnach gab es damals rund 1 Million Hauptwohnsitze in Wien. Rund 25.000 Wohnungen sind kurzfristig und 10.000 Wohnungen langfristig leer gestanden. Gezählt wurde mit dem Melderegister. Das Problem daran: Die Methode mit dem Melderegister ist nicht unbedingt treffsicher. Es gibt viele Wohnungen in denen Menschen zwar gemeldet sind, aber nicht wohnen. Oder umgekehrt.
Eine andere Zählung würde laut Musil recht einfach gehen: “Der Bürgermeister müsste Wien Energie anrufen und fragen, wo schon länger kein Strom geliefert wird – also die „Stromzählermethode“ anwenden”. Die Hypothese dahinter wäre: Wo kein Strom verbraucht wird, wohnt auch niemand.
Aber angenommen die Zahlen von 2015 stimmen ungefähr, so wäre das im Verhältnis zur Stadtgröße laut dem Stadt-Forscher nicht viel: Ein gesunder Leerstand bei so vielen Hauptwohnsitzen liegt bei ungefähr 20 bis 30.000 Wohnungen, das sind zwei bis drei Prozent von allen Wohnungen. Kein Leerstand ist nämlich auch nicht gut, ein bisschen müsse es immer geben, sagt er. Sonst stagniere der Markt. Denn Menschen wollen und müssen umziehen können, oder ausweichen, wenn Wohnungen renoviert und ausgebaut werden. Manche stehen auch leer, wenn die BewohnerInnen eine Zeit lang im Ausland leben oder sich bei einer Erbschaft nicht einigen können.
Es braucht den politischen Willen
Um herauszufinden, ob es ein strukturelles Leerstandsproblem gibt, sind die langfristigen Leerstände besonders wichtig. Doch ab wann steht eine Wohnung “zu lange” leer? “Die Schwierigkeit liege oft im Detail”, sagt Musil dazu. Diese Fragen müssten politisch geklärt werden.
Die IG Kultur Wien beschäftigt sich schon länger mit dem Thema und fordert schon seit 2008 eine Leerstands-Strategie der Stadt zur „Öffnung von Leerstand“ – und auch eine Leerstandsabgabe. Hauptaugenmerk liegt auf den Wiener Erdgeschoßzonen für Kunst und Kultur, aber die Forderung gilt auch für Wohnraum. Man könne die EigentümerInnen nicht zwingen zu vermieten, aber sie vor die Wahl stellen: vermieten oder zahlen.
“In Hinblick auf Meldepflicht und Leerstandsabgabe braucht es politischen Willen”, sagt Geschäftsführerin Irmgard Almer dazu. Die IG Kultur ist nicht allein. Auch die Mietervereinigung fordert in Wien etwa eine Meldepflicht für Leerstand und eine Leerstandsabgabe.
Immobillien Spekulation
Musil bezweifelt in Wien, dass eine Steuer auf Leerstand in Wohnungen sich auf die Mietpreise auswirken würde. Die Zinshäuser in Wien gehören nicht wenigen, einzelnen Besitzern. Niemand besitze hier die halbe Stadt und lasse sie spekulativ leerstehen. “Es gibt keine einzelnen Platzhirschen”, sagt er. Er schätzt, dass es kein strukturelles Leerstandsproblem bei Wohnungen in der Hauptstadt gibt. Das heiße nicht, dass leerstehende Wohnungen und Zinshäuser im Einzelfall kein Problem seien. Aber die Miete würden steigen, weil die Nachfrage steige.
Anders sehe laut Musil die Situation in Salzburg aus: “Wenn alle Anna Netrebkos dieser Welt ihre Villen und Dachgeschoß-Wohnungen in der Salzburger Innenstadt haben, dann ist struktureller Leerstand ein Thema.” Leerstehende Zweitwohnsitze und Chaletdörfer wurden dort erst letztes Jahr politisch diskutiert. Eine Leerstandsabgabe aber nicht beschlossen.
Die Problematik und deshalb auch die Wirkung einer Abgabe unterscheiden sich von Stadt zu Stadt. In Barcelona gibt es ein Problem mit spekulativem Leerstand. Deshalb ist die Stadtverwaltung gegen große Firmen vorgegangen, die Wohnungen kaufen und dann absichtlich leer stehen lassen. Sie werden zur Vermietung aufgefordert – andernfalls würde die Stadt, die Wohnungen zu übernehmen.
Titelbild: Tomek Mądry von Pexels