lampedusaVölkermord im Mittelmeer

Gestern Abend strahlte ORF 2 eine selten gute Folge von Im Zentrum aus. Zu Anfang bot sich dem Publikum ein ungewohntes Bild: Ingrid Thurnher saß nur von zwei Männern flankiert auf dem Podest des Studios am Küniglberg. Rechts war Adan Ibrahim, ein 16jähriger Schüler aus Somalia; links Firas Al Aysh, ein syrischer Saatgutforscher. Adan floh vor ethnischer Säuberung aus seinem Heimatland, Firas vor dem Krieg. Hier durften zwei Menschen dem Schicksal tausender ihre Gesichter geben – ganze zwölf Minuten lang. Sie redeten über ihre Flucht und die unwürdige Behandlung durch die österreichischen Behörden, legten aber auch kämpferisch ihre Zukunftspläne dar.

Nach einem Zuspieler wichen die Männer den DiskutantInnen Wolfgang Taucher, Karim El-Gawhary, Manfred Nowak und Livia Klingl. Die Zynikerin Johanna Mikl-Leitner wurde angefragt, hatte laut Thurnher jedoch keine Lust. Taucher sprach vom „Migrationsdruck“ und verdrehte die Situation: Österreich sei bei der Aufnahme von Flüchtlingen an siebter Stelle. Er präzisierte nicht, wovon. Jedenfalls machen diese Zahlen von 2014 deutlich, dass die kolportierten 28.000 Menschen einfach nicht ins Gewicht fallen. Die meisten flüchten weltweit in die jeweiligen Nachbarstaaten, wie El-Gawhary und Klingl ausführten. Er plädierte dafür, Flüchtlinge mehr als Chance denn als Bedrohung wahrzunehmen. Sie führte ins Feld, dass die österreichische Zivilbevölkerung – wie 1956, 1968 und 1992 – sehr solidarisch sei, die Republik jedoch kneife. Die EU setze das Seerecht außer Kraft, was Klingl als „kollektive unterlassene Hilfeleistung“ bezeichnete. Der Jurist Nowak ergänzte, dass Brüssel das Schlepperproblem verursacht habe, indem das Recht allerorten verschärft und die Grenzen dicht gemacht wurden. Menschen werde das Asylrecht vorenthalten, da sich die regierenden Parteien seit über 20 Jahren von Rechtspopulisten treiben ließen. Außerdem würde niemand die vom Boulevard kolportierten 500.000 Flüchtlinge seriös überprüfen.

Manfred Nowak sah weitere Ursachen für die Fluchtströme im Klimawandel und dem europäischen Kolonialismus begründet. Wolfgang Taucher lobte dann den EU-Sondergipfel von vergangener Woche. Dort wurde als Reaktion auf die Toten ein härteres Vorgehen gegen Schlepper und Flüchtlinge beschlossen. Das stieß natürlich auf Kritik. Da ist es logisch, dass Frontex-Chef Klaus Rösler Joschka-Fischer-tauglich einen Farbbeutel abbekam. Taucher will „jetzt kleine Schritte“ in der EU-Flüchtlingspolitik sehen. Der ausführende Beamte, der „nur Befehle befolgt“, er kehrt wieder, wäscht sich von der Schuld rein und legitimiert das Zuwarten, das Brüsseler Massaker, den andauernden Massenmord im Mittelmeer, der zu einem Völkermord ausufert. Letztlich anerkannte das Parlament den Genozid von 1915, wodurch auch eine Mitschuld Österreichs eingeräumt wurde.

PS: Die gefährliche Bootsüberfahrt nutzen Flüchtlinge übrigens nicht aus Desinformation. Vielmehr ist der billige Fluchtweg durch eine EU-Richtlinie versperrt.

Bild: twitter

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