Basierend auf einer wahren Geschichte
Die Arbeit war getan und Jochen machte sich bereit. Er schob das MacBook in seine Ledertasche die modisch ramponiert oder von einem künstlichen Sand der Zeit optisch abgeschliffen aussah. Aus dem Spalt zwischen Hochbett und Zimmerwand, in dem niemals ein Licht zu fallen pflegte,
holte er seine Schuhe hervor und machte damit, was man damit zu tun pflegte. Er zog sie an. Das Paar entstammte einer Sonderedition Marke: „Marty Mcflys Back to the Future Shoes.“ Nun mag es komisch vorkommen, dass er all diese Verrichtungen tat, während er doch bei der Arbeit war. Vor allem, wenn er sich dabei auf dem Laken eines Hochbettes befand.
Was dem Gerber einst seine Gerberei, dem Bergmann sein Stollen war, braucht der Freiberufler mit Laptop heutzutage Seinesgleichen, um kreativ sein zu können. Dieser Schwarmtrieb führt ihn dann zu einem Ort, den man früher einmal Büro nannte. Aber das ist uncool und viel zu unkreativ.
Das Wasserloch der digitalen Boheme, sind die Coworking Spaces. An einem solchen Ort gibt es Kaffee und Tee, Tischfußball, einladende Couchecken und auch mal ein Hochbett. Es ist wie ein Büro, nur ohne Boss und man zahlt dafür dort arbeiten zu dürfen.
Sichtlich zufrieden, beging Jochen den jungen Abend. Entweder ein Glas Wein würde folgen, natürlich von einem Biobetrieb, oder eine Falafel, hausgemacht.
Ein paar Schritte weiter, gähnte ein gewaltiges Metalltor offen, wie das Maul eines Walhaies in einer Mauer, und gab den Blick in einem Innenhof frei. Das dazu gehörige Haus war von ein paar Linken besetzt worden, was Jochen in der Lokalzeitung gelesen hatte. Er hatte noch keinen Blick hineinwerfen können, nun bot sich jetzt eine Chance. Feuer brannte wie in jedem guten Echtzeitfilm der Achtziger in einer Tonne. Obwohl es Sommer war.
Ein Tanz aus Helle und Schatten, vollführten die Flammen.
Jochen las ein Schild, was sein Interesse noch mehr weckte: „Freies und emanzipiertes Mittag u. Abendessen. Nur der Nase nach.“
Wenn es nach Jochens Nase gegangen, wäre es eine Zeitreise in Bob Marleys Wohnzimmer gewesen, die er bis hier unternommen hatte. Da es nur eine Möglichkeit gab das Gebäude zu betreten, ging er auf die offene Tür zu. Eine Treppe führte in einer grauen steilen Stiege nach oben. Ein Pappclown zeigte auf die Treppe, und Jochen dachte sich, besser konnte ein Hinweis doch gar nicht sein. Jochen ging vorbei an einer Toilette, die „vom gesellschaftlich akzeptierten und forcierten Sexismus befreit wurde“, und einem aus alten IKEA-Möbeln zusammengezimmerten Regal mit Flugblättern darauf. Oben war kein opulenter Speisesaal zu finden. Dafür ein Raum, was in einem Gebäude im allgemeinen nichts ungewöhnliches war.
An den Wänden hingen Poster von prominenten Politikerinnen und Theoretikerinnen.
Rosa Luxemburg, Angela Davis, Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir konnte Jochen identifizieren. Auf dem mit Teppichen ausgelegten Boden, fand er ausgeschnittene Papierstreifen, die mit der Hand beschriftet worden waren. Sehr unflätige Worte und Sprüche, über das weibliche Geschlecht standen dort. Sprüche die vor Jochens entsetzt lesenden Augen immer schlimmer wurden. Er war irritiert, dass neuerdings Feministinnen auf Fußböden herum saßen und sich solche Begriffe gegenseitig auf den Kopf knallten.Vielleicht war das ein neues Hobby, von Frauenrechtlerinnen, so eine Art Chauvinistensprüche-Memory?
Oder es war ein einen Workshop über sexistische Äußerungen im Alltag, das Rätsel lüftete nämlich ein Flyer, der auf dem Boden neben den Papierstreifen lag.
Jochens Weg nach draußen wurde von einer Gestalt vereitelt.
„Was machst du hier“!
Statt einer klaren Antwort, suchte Jochen seine Extremitäten nach Unregelmäßigkeiten ab.
„Ich lebe“, stotterte er hilflos. Für die aufgebrachte Türsteherin mit dem kräftigen Stimmorgan, schien diese Antwort nicht das zu sein, was sie unter dem Weihnachtsbaum sehen wollte.
Ihre Haare waren in drei verschiedenen Farben gefärbt. Etwas ausgewaschener, fand man diese Farbpalette auch auf dem T-Shirt der jungen Dame vor.
„Was hast du da drinnen gemacht“, sagte sie bestimmt und schob noch ein „du darfst da nicht rein!“ nach. Jochen drehte sich um und stellte sich ein Halteverbotsschild vor, das seinen Platz in der Mitte des Raums fand. Sichtlich wütend drehte sie Jochen wieder 180 Grad zurück und deutete ihm mit Deutlichkeit auf das Schild an der Türe.
„TransgenderFemenLesbenFrauenGirlsRaum, Geschütze Zone vor Sexismus, Chauvinismus und patriarchaler Gewalt.“
„Wir machen hier unsere feministischen Workshops ausschließlich für Frauen. Männer haben hier keinen Zutritt.“
Jochen griff sich ergriffen an die Brust. „Ich bin doch kein Sexist“, sagte er. „Ich finde, ihr Frauen könnt alles genauso gut. Vielleicht nicht unbedingt Fußball………,aber…..“
Wie aufs Stichwort, füllte eine baumlange Gestalt den Gang hinter ihnen aus. Der Tiefe Bass ihrer Stimme, und der deutliche Adamsapfel, standen im Gegensatz dem elegante Anzug, den schwarzen Stöckelschuhen, und ebenfalls schwarzen Strümpfen. „Paula, was ist denn hier los“, fragte die elegante Riesin, die als Paula angesprochene. Nach einer kurzen Erklärung, brachte ein „ER ist in den Raum gegangen“ wieder die Wände zum vibrieren. „Weiß er denn nicht, dass viele Frauen so einen geschützten Ort brauchen, um sich öffnen zu können, weil sie auch Sexismus verinnerlicht haben könnten?“ Jochen fühlte sich auf verlorenen Posten, vor allem weil schon in der dritten Person von ihm geredet wurde. Er wollte kein Essen mehr und auch diesen Zirkus wollte er beenden. Deswegen entschuldigte er sich mehr oder weniger aufrichtig für sein „Verbrechen.“
Doch davon wollten die beiden nichts wissen. Denn sie hörten den Sarkasmus aus seiner Stimme deutlich heraus. Worauf prompt ein Vortrag darüber begann, dass der Kampf für die Gleichberechtigung keine Bagatelle sei. Sondern eine todernste Sache, die auch er verstehen müsste. Jochen entweihte nachdem er sich von den beiden befreit hatte, die befreite Toilette und sah auf den Weg nach draußen die beiden vor einem Rechner hocken. Sie schrieben nämlich gerade einen kritischen Artikel, über den grassierenden Sexismus in ihrem alternativem Kulturzentrum.
Anmerkung:
Diese Text verdankt seine Entstehung eines Beitrages, der auf der alternativen Plattform Indymedia hochgeladen wurde. In diesem Kommentar wurden zunehmende sexistischen Handlungen, in einem besetzten Haus angeprangert. Als konkretes Beispiel diente eine Anekdote, wonach sich ein Mann in einem ähnlichen Raum, wie in der Geschichte beschriebenen „TransgenderFemenLesbenFrauenGirlsRaum“ befunden haben soll. Geht man nur nach dem Wortlaut des Textes, dann hatte dieser Mann den Raum lediglich betreten. Sonst war da nichts passiert. Ein Kommentar auf diesen Beitrag, stellte die Frage, ob denn der „Mann“ wirklich ein Mann gewesen war, oder vielleicht nicht doch ein „Transgender.“
DAZIBAO – „Satirische Propaganda“ von Max Sternbauer:
- DAZIBAO I: Lang lebe der Marxismus-Leninismus-Maoismus-Faymannismus!
- DAZIBAO II: Protestbrief eines besorgten Vaters
- DAZIBAO III: Auch der große Bruder war einmal klein
- DAZIBAO IV: Revolutionäre Prophylaxe
- DAZIBAO V: Reinigungsautomat
- DAZIBAO VI: Trotzkis Schrank
- DAZIBAO VII: Pyramiden
- DAZIBAO VIII: Cordoba und Neutralität
- DAZIBAO IX: Staatliches Radio Liechtenstein
- DAZIBAO X: Brian bekommt ein neues Brain
- DAZIBAO XI: Ein antifaschistischer Spaziergang
- DAZIBAO XII: Über ein Theaterstück, das Gott sei Dank niemals aufgeführt wurde
- DAZIBAO XIII: Umwege nach Utopia
- DAZIBAO XIV: Wenn Rechte ihre Zeitungsente füttern
Fotos: open space where coworkers work (Msingularian; Lizenz: CC BY-SA 3.0); Titelbild: Dennis Skley (flickr.com; Lizenz: CC BY-ND 2.0)