Das (Promi-)Sterben wird nicht aufhören

Gedanken von Anna Muhr

Lemmy_KilmisterAuf einmal sterben alle. Alle, die immer da waren. Nicht wirklich da natürlich, nur virtuell da. Aber jetzt sind sie weg. Ist das eine Generationsklippe? Ist das etwas, über das alle Generationen irgendwann drüber müssen, dass die verlässlichen kulturellen Helden einfach abdanken? Oder ist es für meine Generation besonders schlimm, weil wir durch die omnipräsenten Medien das naive Gefühl bekommen, dass wir allen so nah sind?

Es gibt so wenige Persönlichkeiten, über die man nichts kommen lassen kann. So viele biegen irgendwann in ihrem öffentlichen Leben einmal falsch ab. Aber dann gibt es noch die Großen, die bislang immer viel richtig gemacht haben, auf die man vertrauen konnte, auf die man sich einigen konnte. Ihre Zeit ist jetzt gekommen. Einer nach dem anderen verabschiedet sich und lässt uns zurück in einer Welt, die sowieso schon mehr als nur unsicher ist und in der wir gelernt haben, niemandem mehr wirklich zu trauen.

Wie sollen wir reagieren?

Dramaturgisch korrekt wäre es, jetzt ein Video oder ein Meme oder zumindest ein Zitat mit dem passenden Hashtag zu posten. Es würde der Community zeigen: Ich bin informiert, ich kann mithalten mit dem Feuilleton. Vielleicht würde es auch einfach bedeuten: Hey, auch ich habe früher zu einem Prince-Song laut mitgesungen/über einen Bud-Spencer-Slapstick gelacht/mich von einer Deix-Karikatur irritieren lassen, ich kann den Verlust nachempfinden.

Stumm zu bleiben ist auch OK, denke ich. Es reicht ja, wenn man das mit sich selbst ausmacht.

Schweigen ändert nichts daran, dass man etwas spürt. Man muss kein Lemmy/Bowie/Prince/George/Deix/Spencer-Fan sein, um zu verstehen, dass gerade etwas geschieht.

princeEs ist etwas sehr Natürliches: Menschen werden alt und sterben. Davor sind auch die Berühmten nicht gefeit. Aber jetzt tun sie noch etwas anderes außer Sterben: sie verändern unsere Welt. Sie machen sie zu einem Ort, an dem die kollektiven Orientierungspunkte zunehmend fehlen. Und sie führen meiner Generation, die wir uns oft so erfolgreich gegen das Älterwerden und das Erwachsensein wehren, vor Augen, dass wir eigentlich doch hilflos sind. Hilflos gegen das Älterwerden und das Erwachsensein. Hilflos dagegen, dass die Zeit auch für uns nicht still steht, dass sie uns nicht einfriert in der „Yolo“-Blase.

Das Sterben wird nicht aufhören. Das ist keine pessimistische Verheißung, es ist einfach nur wahr.

Aber vielleicht können wir lernen, auf eine Art damit umzugehen, die über das bloße Social Media  Bekenntnis #RIP hinausgeht. Vielleicht verstehen wir, dass es jetzt umso wichtiger ist, selbst etwas zu schaffen. Sei es kulturell, gesellschaftlich oder politisch. Es reicht nicht, wenn wir um die alten Helden trauern. Es reicht nicht, wenn wir den Menschen hinterher trauern, die zu etwas Besonderem geworden sind, weil sie aus der Reihe tanzten, wenn wir selbst uns am liebsten wegducken und den Mund halten aus Angst vor den Konsequenzen. Es reicht nicht, wenn wir uns auf Facebook über etwas beschweren, aber selbst nicht konstruktiv daran mitarbeiten, dass es anders wird.

Wir beklagen, dass es keine Unikate mehr gibt, keine Ausnahmen, dass alle zu glatt sind und zu korrekt. Dass keiner mehr einen Unterschied macht. Aber ich glaube, viele von uns haben Angst davor, selbst den Unterschied zu machen.

Wir sind die, die etwas tun müssen, um das später einmal jene trauern können, die nach uns kommen. Und auch wenn es vergleichsweise schwieriger ist, in einer bis ins kleinste Detail differenzierten, globalen Gesellschaft. Versuchen sollten wir es schon.

Anna Muhr, geboren 1985. Freie Journalistin in Wien.
www.wienvondrin.wordpress.com

Fotos: Lemmy Kilmister (Alejandro Páez; Lizenz: CC-BY-2.0); Prince (Quelle: youtube.com); Titelbild: Bud Spencer/Carlo Pedersoli (Quelle: youtube.com)

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2 Kommentare

  1. Wohl wahr. Allerdings wäre vielleicht noch zu erwähnen, dass in den letzten Tagen auch einige große Frauen gestorben sind. Aber weil diese eh schon ab 50 verschwunden und vergessen waren, nimmt das niemand mehr wahr . Die weißen männlichen Helden werden halt jetzt alt. Vielleicht gibts in Zukunft dann auch Heldinnen und nicht nur weiße ….

    1. Danke für diesen Hinweis. Allerdings: Die Mutter von Prince, Mattie Della Shaw, hatte afroamerikanische und weiße Vorfahren. Darüber hinaus verweisen wir an dieser Stelle auf den Nachruf auf Muhammad Ali.

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