Das problematische Geschäft mit dem Klima – Von Manuel Grebenjak
„Hört auf, das Klima zu schützen, wir machen das schon für euch.“ So könnte man das Geschäftsmodell von Emissionshandels-Firmen kurz beschreiben. Auch das von der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen propagierte Instrument der Emissionskompensation funktioniert nach diesem simplen Muster: Für den Planeten ist es egal, wo Treibhausgase ausgestoßen werden. Nach dieser Logik können Emissionen dort eingespart werden, wo es wirtschaftlich am günstigsten ist – meist in Ländern des Globalen Südens –, anstatt den Ausstoß beispielsweise in Österreich zu verringern.
In der Praxis werden so über sogenannte „Offset“-Projekte beispielsweise in Madagaskar Wälder geschützt oder in Mexiko Windkraftwerke finanziert, damit hierzulande weiter mit gutem Gewissen in den Urlaub geflogen und Auto gefahren werden kann. Denn Treibhausgas-Kompensation gibt es nicht nur für Staaten und Firmen, auch Privatpersonen können sich von ihrem eigenen CO2-Fußabdruck freikaufen.
Dieses Vorgehen wird von der globalen Klimagerechtigkeitsbewegung schon seit langem kritisiert, denn die Marktlösung lenkt von tatsächlich notwendigen Veränderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise ab. Außerdem schaut selbst mit den besten Offsetting-Standards unterm Strich meist eine sehr geringe bis gar keine Einsparung von Treibhausgasen raus. Denn ob z. B. ein als CO2-Senke geschützter Wald in mehreren Jahrzehnten wirklich noch steht, kann nicht garantiert werden. Außerdem kommt es bei vielen Projekten zu Interessenkonflikten mit Einheimischen, zu Menschenrechtsverletzungen und Land Grabbing.
Um auf diese Problemfelder hinzuweisen, haben mehrere europäische NGOs vor kurzem die Website climate-neutral.org gestartet, auf der Offsetting parodiert und kritisiert wird. Unter anderem darauf aufmerksam wurde das Team von ReGreen*, ein kleines Wiener Startup, das sich darauf spezialisiert hat, die Autofahrten seiner Kunden und Kundinnen zu kompensieren. Aus einer ersten Kontaktaufnahme wurde schließlich ein Treffen zwischen Magdalena Heuwieser, Aktivistin der Klimagerechtigkeitsbewegung System Change, not Climate Change! und Mitinitiatorin von climate-neutral.org, sowie Christoph Rebernig, Mitbegründer von ReGreen.
Umweltfreundlich Auto fahren?
„Du denkst beim Autofahren auch an die Emissionen, die Du ausstößt? Mit ReGreen kannst du CO2-neutral und somit umweltfreundlich Auto fahren“, so prangt es auf der Homepage von ReGreen.at. „Wir wollten mit dem Offset-Angebot wirklich etwas Gutes für das Klima tun“, meint Christoph Rebernig. Klimaschützerin Heuwieser gibt sich im Gespräch offen, aber kritisch: „Wir sehen, dass ihr euer Startup mit einem guten Vorsatz gestartet habt, aber das Klima kann definitiv anders besser geschützt werden.“ Auch wenn ReGreen ein sehr kleines und junges Unternehmen sei, das möglicherweise wirklich „etwas Gutes tun will“ so sei es laut Heuwieser generell nicht gut, wenn Unternehmen davon profitieren, dass eine umweltschädliche Praxis fortgeführt wird.
Für Christoph Rebernig ist sein Geschäftsmodell eine notwendige Übergangslösung: „Wir glauben, dass Carbon Offsetting ein gutes Instrument ist, wenn es in einem sinnvollen Umfang passiert. Wenn man Auto fährt und seine Emissionen nicht kompensiert, bedeutet das am Ende nur, dass in Ruanda weniger sparsame Öfen angekauft werden können. In dieses Projekt fließen 80 % unserer Kompensationszahlungen.“
Meint man es mit dem Klimaschutz ernst, muss die Reduktion von Treibhausgasen an erster Stelle stehen. Viel sinnvoller für das Klima wäre, sich kein neues Auto sondern stattdessen mehr mit dem Fahrrad zu fahren. Noch besser ist, sich aktiv gegen den Ausbau von Flugverkehr oder den Abbau von Nachtzügen einzusetzen. Das Angebot, durch wenige Klicks und Euros das Klima zu retten, vertuscht, wie ernst die Klimakrise überhaupt ist, und dass es tatsächliche Veränderungen braucht. So meint Heuwieser zu ReGreen: „Ihr müsst zumindest transparent machen, dass Vermeidung und Reduktion der erste und wichtigste Schritt ist. Auf eurer Website bekommt man den Eindruck, dass man sich ein CO2-Sticker kauft und alles ist gut.“ Der Regreen-Mitbegründer nahm sich die konstruktive Kritik zu Herzen, spricht am Schluss aber auch das große Hindernis für mehr Klimaschutz an: „Ich glaube nicht, dass der durchschnittliche Bürger bereit ist, einen Mehraufwand wie eine 20-stündige Zugfahrt anstatt eines kurzen Fluges auf sich zu nehmen. Diejenigen Kunden, die ihren Ausstoß kompensieren, sind außerdem schon sehr für die Problematik sensibilisiert.“
Eines ist sicher: Um beim Klimaschutz echte Fortschritte zu erzielen, wird es nicht reichen, Emissionen zu verschieben und das eigene Gewissen mit dem Kauf von Zertifikaten zu erleichtern. Weder auf nationalstaatlicher Ebene noch beim einzelnen Menschen.
* ReGreen kompensiert 20 % der Emissionen über Projekte in Österreich, welche nach Kriterien des BMLFUW umgesetzt werden. Die restlichen 80 % werden über ein internationales GoldStandard-Projekt in Ruanda kompensiert. Dort werden Familien, die bisher über offenem Feuer gekocht haben, vor Ort hergestellte Kochöfen zur Verfügung gestellt. Durch diese Öfen wird ungefähr 70 % weniger Biomasse verbrannt, die Rauchbelastung in den Häusern stark verringert und Zeit eingespart, die für das Sammeln von Holz verwendet wurde. Internationale Projekte machen laut ReGreen unter anderem Sinn, weil ein Euro in Entwicklungsländern viel mehr bewirkt und den Lebensstandard der Bevölkerung stark anheben kann.
Foto: screenshot (climateneutralnow.org); ReGreen (fb) ; Titelbild: Aufforstung in Tansania (flickr.com; Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0)