Portugiesische Verhältnisse – Martin Wachter berichtet aus Lisboa
Endlich hat es heute Nacht geregnet. Nach vier Monaten Sonnenschein und Dürre ohne Ende dürfte mitten im September die „Brandsaison” 2016 zu Ende gehen. Leider hat es in diesem Jahr so oft und so intensiv an allen Ecken und Enden der Republik gebrannt wie schon lange nicht mehr. Nicht nur auf dem portugiesischen Festland sondern auch in Madeira wütete ein großflächiges Feuer drei Tage und drei Nächte. Durch das Inferno wurden 22 Prozent der Fläche von Funchal, der Haupstadt der Atlantik-Insel verwüstet. Traurige Bilanz, drei Tote, zwei Schwerverletzte und 200 Verletzte. 300 Häuser wurden zerstört, die Hälfte der Behausungen wurde ein totaler Raub der Feuersbrunst.
Mitte August 2016 war bereits mehr Waldfläche abgebrannt als jeweils im gesamten Jahr von 2007, 2008 und 2014. An manchen Tagen gab es gleich 300 Brände gleichzeitig. Eine Waldfläche von 119.000 Hektar ist den Flammen zum Opfer gefallen. Das ist fast dreimal soviel wie die der Wienerstadt. 5.000 Berufsfeuerwehrleute waren faktisch im Dauereinsatz, weil die durchschnittliche Brandzeit pro Brandherd 35 Stunden betrug.
Gefährliche Arbeit für wenig Kohle
Portugiesische Berufsfeuerwehrleute bekommen für die mehr-geleisteten Stunden der Brandbekämpfung nur 1,87 Euro die Stunde zum normalen Monatsgehalt, welcher so um die 1.000 Euro angesiedelt ist. Die Berufsfeuerwehren sind offiziell nicht einmal im Stande ihre Kolleginnen und Kollegen ordentlich mit Essen und Trinken zu versorgen. Zum Glück gibt es eine Welle der Hilfsbereitschaft aus der eigentlich auch zum Teil notleidenden Bevölkerung. Die BrandbekämpferInnen werden so gut es geht mit zusätzlichen Getränken und Essbaren versorgt.
Bei den Bränden sind jetzt beinahe zehn Menschen ums Leben gekommen. Ein dutzend Schwerverletzte und hunderte Verletzte die weitere Bilanz. Brandstiftung ist in Portugal so was ähnliches wie ein „Kavaliersdelikt”. Zündler werden in den meisten Fällen auf freiem Fuß angezeigt. Die Prozesse finden, wenn überhaupt, Jahre später statt. Gefängnisstrafen, gibt es so gut wie keine. Darüber berichten zumindest die Zeitungen im Lande.
Auch im Boulevard brennt’s wegen der vielen Brandherde lichterloh. Laut Zahlen der portugiesischen Feuerwehren wurden 2015 drei von vier Bränden von Brandstiftern gelegt. Die Tageszeitung „Diario de Noticias” schreibt am 12. August 2016: „Die Nachrichten wiederholen sich seit Jahren: Brandstifter wird Urteil in Freiheit erwarten; Bewährungsstrafe für Brandstifter; Hausarrest für Brandstifter wegen mildernder Umstände. Nach der Waldbrandsaison sind die Bilder eines brennenden Landes schnell vergessen. In einem Jahr mit weniger Feuern werden Brandstifter meistens lediglich mit einer Ermahnung vom Gericht nach Hause geschickt… Die Justiz ist nicht hart genug mit Menschen, die aus Instinkt so viele Zerstörungen anrichten. Mit harter Hand muss nun reagiert werden und das Justizsystem ist zu ändern. Nicht nur das Gesetz muss geändert werden, sondern auch die Mentalitäten. Man muss endlich einsehen, dass Brandstiftung ein gefährliches Verbrechen ist… ”
Solidarität und Bewunderung
Auch die EU ist schwer in der Kritik. Ein paar mal hat die portugiesische Regierung um Hilfe und Unterstützung angesucht. Es gab weder Geld noch sonstwas. Die Spanier schickten zwei kleinere Löschflugzeuge, die sie wegen Eigenbedarf nach kurzer Zeit wieder abzogen. Ein Löschflieger kam aus Italien. Aus nicht EU-Ländern half Marokko und Russland bei der Bekämpfung der zahlreichen Brände.
„Ich hätte mir mehr Solidarität von den EU-Partnern gewünscht”, beschwerte sich die portugiesische Innenministerin Constança Urbano de Sousa in der Presse. „Die Anzahl der Löschhubschrauber und Löschflugzeuge sei begrenzt. Auf Grund von anderen Bränden in EU-Ländern sei nicht mehr Unterstützung möglich”, lautete die lapidare Antwort aus Brüssel. Die EU-Granden haben eben andere „Solidaritätskriterien”. Kohle und Unterstützung gibt es nur für Kriegseinsätze und die Rüstungsindustrie, so scheint es.
Aus Russland sind ein Riesenlöschflugzeug und zwei kleinere Brandbekämpfungsflieger den ganzen Sommer über im Dauereinsatz. Der portugiesische Regierungschef Antonio Costa hat sich persönlich für unermüdlichen Einsatz bei den Teams der russischen Flugzeuge bedankt. Auch aus der Bevölkerung erhalten die Brandbekämpfer aus dem fernen Russland Anerkennung und Lob für ihren professionellen Dienst. „Hab grad gelesen, man überlegt, dass der große Russenflieger eventuell auch Meerwasser aufnehmen soll, wenn Löschwasser knapp wird. Erstaunlich, dass so eine Riesenkiste auch Wasser aus den relativ kleinen Stauseen in unserer Region aufnehmen kann. Wahnsinn, was die riskieren“, bekundet ein Algarvino seine Bewunderung über Facebook.
„Ich gehe nachher mal zur Bank und zahl ein bisserl Geld für die Bombeiros (Feuerwehrleute) ein”, schildert ein Bewunderer der Brandbekämpfungsteams und bekundet seine Solidarität mit den Opfern der zahlreichen Waldbrände.
Martin Wachter ist Herausgeber des UHUDLA, die älteste und rebellischste Straßenzeitung Österreichs. Er lebt in Portugal.
Fotos: UHUDLA