„Survival of the Richest“: Geheime Steuerdeals in Europa seit 2013 fast verdreifacht – Attac: Österreichs Finanzminister vertritt Interessen der Multis
Laut einem vom europäischen Netzwerk EURODAD am heutigen Mittwoch veröffentlichten Bericht haben die europäischen Regierungen bisher kaum politische Lehren aus Steuerskandalen wie LuxLeaks und den Panama Papers gezogen. „Viele verfolgen trotz zunehmender Ungleichheit weiter eine Politik im Interesse der Reichen“, heißt es dazu in einer Aussendung von Attac Österreich zur Studie „The Survival of the Richest. The EU’s role in supporting an unjust global tax system 2016”.
Demnach stieg die Zahl von Steuerdeals zwischen Staaten und multinationalen Unternehmen in der EU weiter stark an – von 547 im Jahr 2013 auf 1.444 im Jahr 2015. „Solche Geheimabsprachen öffnen Tür und Tor für Korruption und Bevorzugung von wichtigen Steuerzahlern wie großen Konzernen. Offenbar ist das weitere Anheizen des internationalen Steuerwettbewerbs wichtiger als der Kampf gegen aggressive Steuervermeidung“, befürchtet Martina Neuwirth vom mitherausgebenden Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC).
Österreich habe zwar aufgrund des starken internationalen Drucks in der Vergangenheit Verbesserungen wie die Abschaffung des Bankgeheimnisses umgesetzt. Der Bericht zeige aber, dass Österreich zögerlich bis ablehnend ist, wenn es um weitere Schritte für Transparenz geht. So hat sich Finanzminister Schelling vehement gegen die Vorstellungen der EU-Kommission und des EU-Parlaments ausgesprochen, durch eine Verschärfung der Berichtspflicht für mehr Transparenz bei der Besteuerung von Konzernen zu sorgen. „Österreichs Finanzminister vertritt damit leider die Interessen der Multis, die es sich weiterhin steuerlich richten wollen “, kritisiert David Walch von Attac Österreich.
Zudem sei es in Österreich weiterhin möglich, Eigentumsrechte mittels Treuhänder ohne schriftlichen Vertrag und ohne öffentlich zugängliche Registrierung zu verbergen (versteckte Treuhand) und so einer Besteuerung zu entgehen. Bei den – für Entwicklungsländer schädlichen – bilateralen Steuerabkommen liegt Österreich im europäischen Mittelfeld.
Der Forderungskatalog des Berichts enthält nicht nur einen verbesserten Schutz für Whistleblower, die Umsetzung einheitlicher Register von wirtschaftlichen Begünstigen, die Veröffentlichung von länderweisen Berichten aller in Europa tätigen multinationalen Unternehmen und von Kernelementen von Steuer-Vorbescheiden, sondern beinhaltet auch ein faires Vorgehen beim Abschluss bilateraler Steuerabkommen mit Entwicklungsländern (inklusive einer Studie zur Folgenabschätzung).
Die Studie greift auch die langjährige Forderung von Attac und dem VIDC auf, grundlegende Alternativen im Steuersystem, wie etwa eine Gesamtkonzernbesteuerung, zu untersuchen. „Auf europäischer Ebene schlägt die EU-Kommission mit der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Basis zwar die richtige Richtung ein. Der Vorschlag sollte jedoch mit Mindeststeuersätzen umgesetzt werden, sonst könnten Unternehmenssteuern angesichts des aktuellen Steuerdumpings bald der Geschichte angehören“, fordern Neuwirth und Walch.
Fotos: „Survival of the Richest“ (Coverbild); Titelbild: Arnaud Ghys (Eurodad)