Unsere Zeitung traf im August in Sillian (Osttirol) den Fotografen Ando Fuchs. Wir sprachen über Schwarzweißfotos, gute und schlechte Bilder und immer wieder über Venedig. Die Bilder stammen von Ando Fuchs und Natalia Ciric, Zoran Sergievski hat die Fragen gestellt.
UZ: Du wirst ja selten zu Gesprächen eingeladen, trotz deiner beachtlichen Reichweite auf Facebook …
Ando Fuchs: Ich bin nicht schüchtern, aber ich bin auch nicht der Typ, der stundenlang redet, oder Fotos kommentiert – das mach‘ ich nicht, oder höchst selten. Das hab ich nie gemacht und werd‘ ich auch in Zukunft nicht ändern. Wer mich so nimmt, das ist okay, und wer nicht, auch, ich hab kein Problem damit. Reichweite ist relativ groß die letzte Zeit, überhaupt, die letzten Monate hat’s sich nach oben gesteigert aus irgendeinem Grund, weiß ich net.
Wie kam’s überhaupt dazu, dass du die Fotos ausgesucht hast, um dich damit auszudrücken?
Hu, das is‘ eine schwierige Frage. Ich hab 2009 angefangen. Und das auch eher durch Zufall, durch einen Freund, den ich hier kennengelernt hab. Wobei, ich muss nochmal zurück: vor dreißig Jahren hab ich angefangen, mit der analogen Nikon zu fotografieren. Aber das war mir irgendwann relativ schnell zu teuer, schließlich hab ich belanglos herumgeknipst und nicht selbst entwickelt. Und dann hab ich’s dabei belassen. Dann sind wir wieder bei 2009, bei diesem Freund, da haben wir gemeinsam wieder angefangen. Anfangs Sonnenaufgänge, Untergänge, Blumen, Berge, alles in Farbe. Irgendwo wusst‘ ich sofort: Das ist nicht meins, diese Art der Fotografie, ich muss mir was anderes suchen. Dann bin ich so circa anderthalb, zwei Jahre später mit ihm in Venedig gewesen das erste Mal, obwohl es so nahe liegt. Da war ich dermaßen geflasht – und von diesem Tag an komplett umgedreht, alles nurmehr in schwarzweiß. Seither hab ich kein einziges Farbfoto mehr gepostet glaube ich. Ich will Farbfotos jetzt nicht die Qualität absprechen, aber meins is‘ es net. Um mich besser auszudrücken, brauch ich das schwarzweiß.
Das klingt so klassisch. Warum gerade schwarzweiß? Wieso nicht weiß und ein anderer Kontrast?
Kann ich gar net sagen. Ich habe über die Jahre schon verschiedene Fotografen verfolgt, aber keine Bücher gekauft. Ich bin kein Bücherwurm. Man verfolgt die über Zeitschriften, über die Medien, soziale Medien. Und das schwarzweiß war immer mein Zugang. Ich weiß selbst net genau, warum, kann Geschmack sein. Für mich gibt’s nur diesen Weg. Zur Zeit. Kann sich in zehn Jahren ändern, weiß ich net. Aber ich denke, mein Weg wird auch in Zukunft schwarzweiß sein.
Was ich spannend find‘, grad‘ weil du Venedig angesprochen hast, ist dieser Unterschied: du hast einerseits diesen Fokus aufs Urbane, auf Bilder von Menschen, von Katzen auf Stiegen – und andererseits hast du diese zerklüfteten Berglandschaften, die doch sehr klar herausstechen …
Gut, die Berglandschaften, das bietet sich an. Und wie ich vorher gesagt hab, ich bin ja eigentlich aus Südtirol, das Dorf heißt Sexten. Und die Sextener Dolomiten mit den Drei Zinnen – vielleicht kennst das, vielleicht schon mal gehört – das ist meine Heimat. Und diese Fotos sind dort entstanden. Ich geh meistens nicht vom Juni bis Oktober rauf, weil da sind die Berge überlaufen. Im November, wenn ich weiß, dass die Stimmung auch passt – Nebel, Wolken, Regen – dann nehm‘ ich meinen Rucksack und zieh los. Das passt auch zu mir. Es ist net nur die Stadtansicht. Ich versuch mich irgendwo zu identifizieren damit, wo ich herkomme. Und die Stadtansichten, wie Venedig, das bietet sich an, weil ich in zwei Stunden unten bin. Auch hier gilt: Wenn ich von der Wettervorhersage her weiß, die Stimmungen passen, fahre ich in der Früh los.
In einem anderen Interview heißt es, du hättest in der Form keine Idole. Du brauchst also nicht andere Künstler zur Inspiration. Was regt dich an?
Idole in dem Sinn habe ich keine. Ich schätze sehr viele Fotografen, Schwarzweiß-Fotografen, solche, die nicht mehr leben, aber auch aktive. Ich will mich aber nicht an ihre Art der Fotografie anbinden. Die machen das, ich schätze das. Im Internet folge ich auch vielen. Ob man sich dann unbewusst von den Dingen, die man sieht, beeinflussen lässt, kann ich nicht beurteilen. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Ich bin eben so ein Stimmungsfotograf. Ich kann net – oder sehr schwer – auf Knopfdruck gut fotografieren. Das funktioniert net. Es müssen einfach viele Dinge zusammenpassen. Dann kommt was Gutes raus. Für mich.
In erster Linie denke ich, ich muss mit dem, was ich mach‘ zufrieden sein, mit dem Resultat. Es ist nicht der Sinn und Zweck für mich von zehn, von hundert, von tausend Leuten gesehen zu werden. Ich will in erster Linie fotografieren, weil es mir viel gibt. (Zu Natalia:) Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber in den letzten drei bis vier Jahren sehe ich Dinge, die ich vorher nicht wahrgenommen hab, die ich vorher nicht gesehen hab. Und jetzt seh‘ ich die.
Ich brauch auch den richtigen Zugang. Ohne Kamera gehe ich fast nie außer Haus. Es kommt schon vor, dass ich die mit hab und komm mit nix nach Haus. Passiert.
Der Plan ist natürlich, dass ich bald voll davon leben kann, aber ich komm noch nicht ganz damit klar. Weil, wenn man davon leben muss, muss man auch Dinge machen, die man nicht gern macht. Und da bin ich ein bisschen im Konflikt noch.
Da muss man Hochzeitsfotografie machen, Essen für Hochglanzmagazine fotografieren, um davon zu leben?
So isch es. Ich weiß jetzt net, ob man da in Osttirol davon leben kann. Aber der große Vorteil heute ist das Internet, dass viele über Internet verkaufen können. Also es muss nicht unbedingt ortsbezogen sein. Klar, wenn es jetzt um Hochzeitsfotografie geht oder sonst was hier bei uns, na ja, das ist eher ein kleines Geschäft, denk ich mal.
Hast du schon mal irgendwo ausgestellt oder stellst du bald aus?
Wenn, dann kleine Ausstellungen hier bei uns in der Nähe. Das Problem ist, das seh‘ ich so: Ich hatte in den letzten zwei Jahren viele Möglichkeiten, auch international auszustellen. Vor zwei Jahren hat mich eine Galerie aus New York angeschrieben, aus Chelsea, die ist unter den fünf besten Galerien in New York. Die wollten Bilder von mir ausstellen – nur wollten die als Start 5.000 Dollar von mir haben. Sie stellen die Bilder für ein Jahr aus, verkaufen die auch, du kriegst einen bestimmten Preis. Und für ein weiteres Jahr zahlt man 3.500 Dollar. Jetzt, wenn du nicht ganz flüssig bist: Woher nehm‘ ich das Geld? 5.000 Dollar sind ca. 4.300 Euro. Genau da liegen die Probleme. Ein zweiter wäre heuer gewesen, für nächstes Jahr in Portugal – auch wieder dasselbe. So ist man eben ein bisschen gehandicapt. Weil ich denke, wenn man diese Ausstellung machen kann, das wär‘ ein Schritt, ein riesengroßer Schritt.
Wieso wollen Galerien dieses Geld? Ist das so eine Art Kaution?
Na ja, damit leben die ja auch. Diese 5.000 Dollar zahlst du, damit machen die dann die Werbung, Vernissagen, das machen dann alles sie. Das machen die nicht gratis, klar. Und das ist dann nicht mit diesen 5.000 Dollar erledigt. Ich hab mich mal umgesehen auf dieser Homepage, da waren Leute in dieser Galerie, die sind weltbekannt. Klarerweise musst du dann anwesend sein. Und da kannst auch nochmal mit zwei- bis dreitausend Euro rechnen. Das ist halt schwierig. Und so mach‘ ich halt hier kleine Ausstellungen.
Kommen wir zu einzelnen Motiven. Deine Fotos leben jetzt weniger von Montagen, großer technischer Konzeption. Ich habe ein Bild gesehen, das fand ich – jetzt nicht despektierlich verstehen – recht witzig, da merkt man die Montage deutlich.
Das ist der Sohn von meinem Bruder. Das sind eigentlich zwei lustige Geschichten. Das Bild ist entstanden vor drei Jahren an der Nordseeküste in einem alten Haus. Das Bild hatte ich schon ewig und wusste nie, was ich damit machen soll, und da sagte mein Bruder „Mach etwas mit meinem Sohn“ und so ist das Bild entstanden. Ich bin auch für alles offen. Ich bin net der Typ, der sich auf eine Sache konzentriert. Ich mag schon die freie Hand, die kreative Hand, und ob das da jetzt montiert ist – ich mein, klar, ein richtiger Fotograf sagt, er will mit Montagen nichts zu tun haben.
Aber im Endeffekt bearbeitet es doch jeder irgendwo mal.
So ist es, so ist es. Und ich hab gemerkt, dass die montierten Bilder die erfolgreichsten Bilder sind. Lustigerweise. Kann ich gar net erklären. Oder auch die Katzenbilder, es sind eben diese Bilder, wenn man verkaufen will, diese Bilder verkaufst du.
Bilder wie die von Venedig, wo eine düstere Stimmung herrscht – viele schreiben mir „Das ist mir persönlich zu düster“ – verkaufst du nicht. Die Menschen sind eben verschieden, da gehen die Meinungen auseinander. Ich denke, „düster“ ist immer eine Ansichtssache. Für mich sind die Bilder eben nicht düster, für mich sind die Bilder genau das, was ich ausdrücken will, bisschen Melancholie, bisschen Alleinsein in der Stadt. Venedig zum Beispiel ist, wenn man alleine, ohne Touristen dort ist, beschwerlich – dieser Nebel, diese Feuchtigkeit. Die Menschen, die da leben, genau in diesem Moment können sie wieder Mensch sein, weil normalerweise ist diese Stadt überlaufen. Und das ist für mich dann genau das, wie es sich dort abspielt, oder abgespielt hat. Auch in den Bergen: für mich ist der Berg erst schön, wenn er nicht überlaufen ist.
So, wie du deine Fotos machst, findest du sie ja gut, sonst würdest du sie ja nicht so machen. Was spricht dich denn bei anderen FotografInnen an?
Boah, das ist schwer zu erklären. Ich bin relativ offen für andere Dinge. Ich seh‘ mir die gerne an, würde sie selber aber nie machen. Es gibt viele Fotografen, schwarzweiß und Farbe, die leben etwa von der Langzeitbelichtung von Wasser. Ich find‘ die Bilder schön. Nehmen wir an, ich hab eine moderne Wohnung, solche Bilder an der Wand – das muss sicher wunderbar sein. Ich mag sie, aber würde sie eben nicht machen. Warum sie mich ansprechen? Kann ich nicht genau sagen.
Dann eine provokante Frage in diese Richtung: Kann ein gutes Bild auch so eins sein, dass man beim Fotogeschäft in die Auslage gibt, um vorrangig den Rahmen zu verkaufen, einen Eindruck vom Rahmen zu gewinnen?
Na ja, da halte ich nicht viel davon, weil der Rahmen soll nicht das Bild bestimmen. Der Rahmen soll gar net auffallen dürfen. Dann ist das Foto gut. Wenn mir zuerst der Rahmen auffällt und dann erst das Foto – kann es net gut sein. Ich persönlich rahme selbst kein Bild, oder höchst selten. Ich lasse sie meistens auf Leinentuch drucken, umstülpen, fertig, ohne Schnörkel.
Klar, wenn man jetzt drei-, vierhundert Jahre zurückgeht, dann gehörte der pompöse Rahmen zum pompösen Bild dazu. Aber ich denke, wenn ich in ein Fotogeschäft reinschaue und mir fällt zuerst der Rahmen auf und dann das Bild, dann ist das der falsche Weg. Und das ist auch eine schwierige Sache: Nicht jeder Rahmen passt zu jedem Foto. Wenn ich ein Bild verkaufe, verkaufe ich es nur gerahmt, wenn jemand einen Rahmen will. Ich lasse meine Bilder nicht in solche 08/15-Rahmen von IKEA stecken. Ich lege Wert auf mein Bild und der Rahmen soll dazu passen, sonst kriegst du das gar nit.
Was macht deiner Ansicht nach ein richtig schlechtes Bild aus?
(Lacht) Ou. Da gibt’s dermaßen viele. Da könnte man Tage diskutieren. Wobei, schlecht ist auch Ansichtssache. Das muss mir nicht gefallen, aber wem anderen.
Was taugt dir gar nicht? Gibt es Motive, bei denen du dir denkst: Das ist dermaßen ausgelutscht? Das Thema ist dermaßen überstrapaziert?
Könnt‘ ich jetzt spontan gar nicht sagen. Was i gar nit mag, ist, wenn Leute andere kopieren, also wenn die hingehen und sagen: Das gefällt mir, das mach ich jetzt auch! Das ist schon der falsche Ansatz, das kann’s irgendwie net sein. Das ist schön, okay, aber ich mach das nicht.
Zum Beispiel Babyfotos – da gibt’s viele gute, aber eben viele Trittbrettfahrer, die dasselbe machen. Aber die lass‘ ich auch links liegen, das gefällt mir überhaupt net. Aber was sind schlechte Fotos? Na, ich möcht‘ da niemandem zu nahe treten, überhaupt net. Es gibt viel Schlechtes, vor allem aber viel Gutes, was nicht gesehen wird, leider. Wirklich Gutes.
Die andere Frage zum Thema „ausgelutscht“. Mich hat man zum Beispiel gefragt, warum ich nach Venedig fahre, weil diese Stadt ist dermaßen häufig fotografiert worden, dass die Menschen diese Bilder nicht mehr sehen möchten.
Es ist immer dasselbe: Du hast den Dogenpalast, du hast die Gondeln …
Ja, genau, aber das stimmt nicht. Ich sehe darin auch eine Herausforderung: Bei einem ausgelutschten Thema etwas zu finden, was – ich möcht‘ nicht sagen noch nie, das weiß ich nicht – aber sehr selten fotografiert wurde. Das findet man, wenn man sucht. Wartet. Zeit hat, sich Zeit nimmt für das Fotografieren. Weil: Nur hingehen, Foto machen und wider weggehen funktioniert net.
Ich bin manchmal zwei Stunden am selben Ort, bis das Licht passt, die richtige Person muss drin sein, wenn ich eine Person drin haben will. Und ich denke, man findet in Venedig – und auch in anderen Städten – Gegenden, Momente oder Perspektiven, die andere noch nicht gesehen haben – oder selten. Das kann recht interessant sein, auch zeitaufwändig, manchmal klappt’s, oder: Ganz selten klappt’s, meistens klappt’s nicht, sagen wir mal so. Aber es gibt dann schon irgendwo dieses eine Bild.
Wann gefällt dir der Zuspruch gegenüber deinen Bildern am meisten? Wenn die Intention verstanden wird, das Motiv gefällt…?
Das ist die eine Seite. Ich bin einer der, wie ich vorhin gesagt habe, sehr selten schreibt. Und ich hab auf meiner Seite doch einige, sei es aus England, sei es aus den USA, oder aus Indien, die mich dann persönlich auch anschreiben und sich dann kurz unterhalten über die Fotografie. Und dann eben sehr schwärmerisch sprechen und das gibt einem schon das Gefühl, man ist irgendwo auf dem richtigen Weg. Ich meine, wenn ich ein Bild online sehe und es mir gefällt, schreibe ich auch mal drunter, aber ich erwarte jetzt nicht, dass der auch bei mir was schreibt. Für mich ist das net notwendig.
Manchmal passiert es mir, dass ich bestimmte Bilder selber gar nicht so gut finde, die aber dann veröffentlich‘ – und diese Bilder haben dann genau den Riesenzuspruch. Das ist für mich manchmal sehr eigenartig, aber na gut. (Schmunzelt) Aber ich bin selbstkritisch und schwer zufriedenzustellen, was das Eigene betrifft. Aber vielleicht ist das genau der Grund, warum’s so gut funktioniert, ich weiß es net. Klar, nicht jedes Bild kann ein Topniveau haben, es gibt bessere und weniger gute. Aber es ist eben interessant, dass manchmal genau die, die man eher nach unten stuft, genau die sind, die hoch oben angesiedelt sind.
Passiert dir das andersrum genau so? Also, du bringst ein für dich tolles Bild und im besten Fall kommt gar kein Zuspruch?
Passiert mir ganz viel bei anderen Fotografen, die ich in den letzten Jahren persönlich oder übers Netz kennengelernt hab, da gibt’s dermaßen viele Bilder auch von guten Fotografen, die dermaßen wenig bekannt, beachtet sind. Da denk ich mir dann schon: Das gibt’s doch net, das ist ja unmöglich. Die werden derart für nicht würdig befunden. Diese Bilder sprechen mich am meisten an.
Ansonsten mach ich mir nicht groß Gedanken über andere Menschen und bin auch nicht der, der irgendwas an die große Glocke hängt. Das mach ich nicht. Ich mach mein Ding und das zieh ich durch. Und was andere denken, was andere sagen, davon halten, das muss jeder für sich entscheiden, kann ich ja net beeinflussen.
Wir haben vorhin schon über Reichweite und Bekanntheit geredet. Wenn die stagnierte, zurückginge, wärst du dann sehr geknickt?
Nein, davon lass ich mich gar nicht beeinflussen. Das ist gar nicht mein Anspruch und das kann man – denk ich – sowieso nicht groß beeinflussen. Viele sind natürlich schon sehr verbissen und wollen auch irgendwo hin, was nicht erreichbar ist. Ich habe viele Fotografen auch persönlich kennengelernt, die möchten sich mit irgendjemandem vergleichen, die Kultstatus haben. Aber das funktioniert net. Ich würd‘ mir nicht anmaßen zu sagen, ich mach Fotos wie der und der. Das ist auch gar net mein Anspruch. Mein Anspruch ist, etwas zu machen, was mir persönlich mein Leben versüßt. Ich kann nichts anfangen mit „Das Bild muss sauber sein, es darf nicht rauschen, es muss scharf sein.“ Wenn ein Bild mal unscharf ist bei mir, dann ist es unscharf.
Ist das wirklich noch so streng?
Bei vielen schon, ich habe manchmal solche Unterhaltungen mit Freunden oder Bekannten, Fotografen: „Du musst dieses Buch kaufen und jenes, da ist die Drittelregel drin und jene Regelung.“ Da sag ich: „Seid ihr verrückt? Macht ihr Fotos oder befolgt ihr Bücher?“ Ich kann damit einfach nix anfangen. Ich mag mir kein Buch kaufen, dass mir sagt, welches Foto ich wie machen muss. Wenn ich eine Kamera hochhalte, dann muss das klappen. Net, weil das Buch das sagt, sondern weil mir persönlich das Bild so gefällt.
Ich gehe davon aus, dass das vor allem den Amateur betrifft, weil die sich irgendwo etablieren möchten. Und die machen große Seiten oder Blogs und geben Kommentare unter Bilder, wo ich mir denke: „Ja, hast du das Foto angesehen? Das hat ja mit dem Foto oben gar nix zu tun.“
Ich lass mir ungern sagen – ob das jetzt ein Profi oder nit Profi ist -, wie man ein Foto zu machen hat. Es ist net so, dass ich keinen Ratschlag annehme oder dass ich mich ungern über Fotografie, über andere Fotografen unterhalte. Aber ich hab manchmal schon ein Problem mit „Du musst hier das Weiß mehr machen, da ist das Schwarz nicht gut.“ Na dann gut, kannst ja du machen. Die letzte Entscheidung treff‘ ich. Also ich nehme gerne Ratschläge von Leuten an, Hobbyfotografen, Profis die ich kenne. Aber Menschen, die ich nur über’s Internet kenne, die ich persönlich nicht kenne – da kann ich keinen Ratschlag geben.
Ist diese Sehnsucht nach Regelwerk seitens Hobbyfotografen eigentlich durch Social Media ärger geworden?
Klar, die Diskussionen wird es vor zwanzig Jahren auch gegeben haben, aber die wird niemand gelesen haben, weil sie nirgends standen. Jetzt muss jeder gleich seinen Senf dazugeben, schreiben, was er denkt. Früher war es vielleicht auch so im kleineren Stil, geschlossener. Und jetzt ist gleich jeder ein Profifotograf. Ich seh‘ mich net als Profifotograf. Aber vielleicht habe ich einen etwas anderen Blick auf die Dinge. Die Leute fragen mich oft: „Wie ist das Foto entstanden?“
Das weiß ich zu 90 Prozent nicht. Das sind oft nur diese Momente, wo man etwas sieht, die Kamera hochhält, drückt und der Moment ist schon wieder vorbei. Und es gibt Momente, wo du ne Stunde wartest, um das eine Foto zu machen.
Viele Fragen mich, welche Kamera ich nutze, welche Systeme, wie viele Objektive ich habe, welche Ausrüstung. Ich habe vor sieben Jahren diese P90 gekauft mit dem Standardobjektiv und nach wie vor, zu 90 Prozent arbeit‘ ich mit der. Am Anfang hab ich so ein Fisheye gekauft, dann ein Holga-Ojektiv, dass ich auch nutze, das gibt’s lustigerweise auch für Nikon. Das ist eine Analogkamera, Mittelformat mit Filmen, die macht nur unscharfe Fotos. Und das ganze Teil ist aus Plastik, von der Linse angefangen bis zum Körper ist alles Plastik. Man braucht zwar gutes Licht dazu, aber es funktioniert. Und dann hab ich so zwei, drei andere Objektive gekauft, die liegen jetzt bei mir zuhause und ich nutze sie net.
Ich habe gemerkt, die ersten zwei Male, als ich in Venedig war, im Rucksack hinten die Digitalkamera, die Analogkamera, mit vier Objektiven hinten, mit Stativ, dann schleppst du unten den ganzen Tag das Zeug rum, kommst am Abend ins Hotel, oder fährst abends wieder nach Haus und ich weiß dann nimmer, wo ich die Füße hintun soll. Ich lauf relativ viel rum.
Und das andere Problem is: jetzt steh ich irgendwo und weiß nit, soll ich jetzt die Fixbrennweite nehmen, weil das Motiv würde passen. Na dann geh ich in die nächste Gasse, da würd‘ ich einen Weitwinkel brauchen, dann geh ich in die nächste Gasse, da brauch ich den Zoom – also, Idiotie. Ich mach jetzt: eine Kamera, ein Objektiv, kein Rucksack, kein Stativ. Und fahr. Da muss ich mit dem zurechtkommen, was ich hab. Fertig.
Oder du hast am Abend eh nichts geschossen, musstest aber nicht so viel schleppen.
Und irgendwo verliert man den Bezug, weil man dermaßen beschäftigt is‘ mit Kamerawechsel, mit Objektivwechsel, dass die ganze Situation überhaupt an dir vorbeiläuft. Ich hab meistens beide Kameras dabei, aber ich trag nur eine herum. Ich nehm meistens das Standardobjektiv, die 1805, ansonsten eines komplett aus Metall, das ist vierzig Jahre alt das Objektiv, sehr lichtstark, eins, einsvier. Und das geht optimal, kann ich alles händisch machen.
Weil wir jetzt doch über Technik sprechen: Geht da vielleicht so ein bisschen der Charme der Fotografie verloren, wenn alle nurmehr super-perfekt unterwegs sind, nur mehr von technischen Vorteilen noch und nöcher zehren?
Ich finde schon, dass der Charme der Fotografie mit dem verloren geht. Speziell mit dem Abstand zu den Menschen auf der Straße: ich seh‘ viele, die kommen mit einem Riesenzoom oder mit Riesenbrennweiten stehen die in der Stadt und fotografieren Menschen. Die werden dann aus hundert Meter abgeschossen, sag ich jetzt einmal. Also, wenn ich einen Menschen fotografieren will von vorne, dann soll er mich auch sehen. Wenn der mich nicht sieht, dann mag ich dass Foto net. Meine Menschen sind zum Großteil – zum Großteil! – von hinten oder von der Seite fotografiert, wo man sie net kennt. Von vorne ist höchst selten. Aber dann sehen mich die Menschen auch, und ich kann zuerst das Foto machen, dann frag ich den Mensch: „Ist das okay für dich?“ Wenn’s okay is‘, is’s okay, ansonsten lösch‘ ich. Ich denk, das Foto solltest‘ zuerst machen, denn ich kann nicht auf der Straße eine Situation erfahren und den Mensch vorher fragen: „Ist das jetzt okay?“, weil dann ist die Situation vorbei.
Es ist vor sechzig Jahren sicher einfacher gewesen, auf der Straße zu fotografieren, weil die Menschen nicht den Zugang hatten zur Fotografie. Aber heute, durch die großen Zooms, die großen Tele, da wird ja jeder abgeschossen. Und das seh‘ ich relativ kritisch. Und durch die große Omnipräsenz, durchs Internet, durch Facebook, durch alle Plattformen, steht von einer Sekunde auf der andern, ob man will oder nicht, irgendwo auf der Welt das Foto von mir, obwohl ich’s gar net weiß. Man kann zwar net viel dagegen tun, aber als Fotograf reizt mich das net.
Also, wenn ich unterwegs bin, dann fotografiere ich auch gern Menschen, die auf der Straße leben. Da such ich immer so markante Leute, ob jung oder alt, Frau oder Mann, is‘ wurscht. Aber markante Gesichter. Und da geh ich schon manchmal hin und frag die, ob es für sie ein Problem is‘, wenn ich mich kurz neben sie setze, oder mich kurz unterhalte und eventuell auch zwei, drei Fotos mache. Es gibt dann solche, die wollen das nicht, und auch solche, für die ist das überhaupt kein Problem. Manchmal unterhalt‘ ich mich dann länger. Ich geb‘ denen dann auch etwas. Aber Bilder hab ich bisher noch keins hochgeladen. Die behalt‘ ich für mich. Vielleicht kommen die auch mal in ein Sammelalbum. Aber momentan behalt‘ ich die für mich. Also ich möchte gerade diese Menschen nicht aus dem Hinterhalt abknipsen. Hat er auch net verdient, ob der jetzt auf der Straße lebt oder net. Hat kein Mensch verdient.
Zur Person: Ando Fuchs, geboren und aufgewachsen in Sexten, Südtirol, lebt in Sillian, Osttirol. Lernte Schlosser, arbeitete auf Montage. „Knipste“ erstmals Ende der 1980er, widmet sich seit 2009 wieder verstärkt der Fotografie. Das renommierte deutsche Fachmagazin SCHWARZWEISS analysierte in Ausgabe 107 auf sechs Seiten seine venezianischen Bilder. Sein jüngstes Projekt: Burg Heinfels. In seiner Freizeit spielt Fuchs gerne Tennis.
Mehr von Ando Fuchs auf ando-fuchs.at und facebook.com/andofuchsphotographer