Das Weltbild von Menschen, die Impfungen als Quell allen Übels sehen, mündet teilweise in menschenverachtenden Ansichten
Von Stefan Kastél
In den letzten Tagen und Wochen ist eine erneute Diskussion, rund um das Thema Impfungen aufgeflammt. Ausgelöst durch vermehrte Masern-Neuerkrankungen in Deutschland und Österreich, wird eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Impfgegnern und Impfkritikern vor allem in sozialen Netzwerken sichtbar, die sich strikt gegen eine Impfung aussprechen und ihre eigenen Ansichten zu dieser Thematik haben. Mit fachlichem Wissen und epidemiologischen Studien, stößt man dabei vielerorts und vermehrt auf taube Ohren.
Angesprochen auf die Gründe, warum zum Beispiel die eigenen Kinder nicht geimpft werden, hört man oft Sätze wie „Das ist nicht der passende Weg, um mein Kind gesund zu halten“ oder „Wenn Sie Ihren Kindern eine auf Krebszellen gezüchtete, gen-manipulierte und mit Schwermetallen angereicherte Medizin injizieren wollen, dann können Sie das gerne machen.“. Weder sind diese „Argumente“ von Impfgegnern irgendwie belegbar, noch steckt hinter dieser ablehnenden Haltung ein rational erklärbarer Beweggrund. Das häufig esoterisch angehauchte Weltbild von Menschen, die Impfungen als Quell allen Übels sehen, geht oftmals viel tiefer und mündet teilweise in menschenverachtenden Ansichten.
Besucht man die Webseiten von Organisationen, die sich gegen das Impfen aussprechen, findet man oft ein buntes Potpourri von Verschwörungstheorien und Halbwissen. Eine Salzburger Homepage schreibt zum Beispiel in der Einleitung, „Wir wollen uns jetzt zusammensetzen und unsere Kräfte bündeln, indem wir Informationen weitergeben und unsere Fähigkeiten anderen zur Verfügung stellen, damit der Wissensfunke auf möglichst viele überspringen kann.“ Eine deutsche Seite beginnt gleich mit der ganzen „Wahrheit“ und verkündet auf der Startseite „Impfen nützt nicht, schützt nicht und schadet“. Scrollt man weiter nach unten, wird auch gleich offenbart, welche politische Ausrichtung diese Seite als Ganzes verfolgt. Aktuell ist dort zu lesen:
„Trump hält sein Wahlversprechen, den destruktiven Impfwahn zu stoppen, gründet eine Kommission zur Impfstoff-Sicherheit, die der bekannte Impfkritiker Robert F. Kennedy Jr. leitet! Bald ist Schluss mit der Vergiftung unserer Kinder und dem Wissenschaftsbetrug.“
Dass die angebotenen Inhalte solcher Webseiten nichts mit „Wissen“, sondern viel mehr mit „Glauben“ zu tun haben, stört angesichts der steigenden Krankheitsfälle offenbar immer weniger. Gräbt man weiter in Richtung Esoterik, Geistheilern, Chemtrails und selbstgebastelten Youtube-Videos, stößt man irgendwann und unweigerlich an der so genannten „Neuen Germanischen Medizin“ an. Diese Behandlungsmethode wurde vom deutschen Arzt Ryke Geerd Hamer ins Leben gerufen und ist vor allem eines: Brandgefährlich und höchst unwirksam. Laut Behörden gab es bisher über 80 Todesfälle, die mit Hamer in Verbindung gebracht werden. Die Anhänger der Neuen Germanischen Medizin glauben fest daran, dass jede Krankheit eine Reaktion des Körpers auf seelische Konflikte ist. Selbst Krebs, welcher übrigens genau so schlimm wie ein Schnupfen gesehen wird. Wegen Hamer´s Antisemitismus, ist diese Form der Medizin vor allem in rechtsextremen Kreisen, wie den Reichsbürgern oder Neonazis sehr verbreitet.
Bereits im Jahr 2014 wurde mit einem Anstieg der Masern-Neuerkrankungen in Österreich gerechnet, da die Impfskepsis/Impfmüdigkeit in der Bevölkerung immer weiter zunahm. Verantwortlich dafür waren und sind dabei häufig Nicht-Mediziner, die mit pseudo-wissenschaftlichen Argumenten junge Eltern und andere Menschen verunsichern. Hinzu kommt, dass dem Thema „Impfen“ schon länger eine Trittbrettfunktion von rechter Seite zugewiesen wurde, um gegen Minderheiten im Allgemeinen, eine negative Stimmung zu erzeugen.
Dokumentation: Die ARD-Sendung „Panorama“ befasste sich im Jahr 2015 mit dem wirren Weltbild der Impfgegner:
Fotos: Spritze mit Blut (© torange.biz; Lizenz: CC BY 4.0); Titelbild: Impfpass und Spritze (Dirk Vorderstraße/flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0)