„Sie haben ganz einfach keine Ahnung.“ – Offener Brief an Felix Baumgartner von Stefan Kastél

Seit November 2015 bin ich als Flüchtlingsbetreuer aktiv. Als ich die Entscheidung traf Flüchtlingen zu helfen, begann ich als Ehrenamtlicher im Ferry Dusika-Stadion (gleich neben dem Ernst-Happel-Stadion), wo damals rund 350 Flüchtlinge (hauptsächlich Familien) untergebracht waren.

Im Dezember erfuhr ich, dass die Johanniter-Unfallhilfe Österreich, Flüchtlingsbetreuer für eine Festanstellung suchen. Durch meine ehrenamtliche Erfahrung, hatte ich das große Glück ein Teil der Johanniter-Familie zu werden. Aus Ehrenamt wurde Hauptberuf. Diesen Beruf führe ich bis zum heutigen Tage aus und bin darüber sehr glücklich.
Warum? Weil ich dabei zusehen darf, wie hunderte Menschen sich ins Zeug legen, um ein Teil der österreichischen Gesellschaft zu werden. Kinder, die erst seit zwei Jahren hier sind, sprechen unsere Sprache mittlerweile fließend.

Als ehemaliger Student der Sprachwissenschaften kann ich Ihnen verraten, dass der Spracherwerb bei erwachsenen Menschen grundsätzlich länger dauert als bei Kindern.
Sie schreiben in Ihrem Facebook-Beitrag: „Ein paar Sprach- und Integrationskurse können die mentale Ausstattung der Analphabeten in einer kurzen Zeit NIE auf das Niveau eines avancierten Industrielandes heben.“ Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Welche Flüchtlingseinrichtungen haben Sie besucht, um darüber urteilen zu können? Mit wie vielen ehrenamtlichen oder hauptamtlichen Flüchtlingsbetreuern haben Sie gesprochen, um mir nichts dir nichts eine solche Behauptung zu veröffentlichen?

Weiters geben Sie an: „Auch wenn sie (Flüchtlinge) die deutsche Sprache gelernt haben, werden sie kaum dem Unterrichtsgeschehen folgen können.“

Herr Baumgartner, Sie haben ganz einfach keine Ahnung. Ich erstarre jedes Mal in Ehrfurcht wenn ich sehe, was diese Menschen schon seit mehreren Jahren leisten. Sie sind produktiv, lernen kontinuierlich die deutsche Sprache, engagieren sich, suchen eine Wohnung und möchten einfach nur ihren Frieden finden.

Dummerweise gibt es Menschen wie Sie, die – ähnlich einer gewissen Partei in diesem Land – laut schreien und eine Stimmung erzeugen, die absolut nicht dazu beiträgt etwas Konstruktives zu erschaffen. Ihre Ahnungslosigkeit verbreitet sich leider aufgrund Ihrer Bekanntheit, und die ganzen Bierzeltklatscher klopfen sich noch auf ihre Schenkel. Weil „endlich mal jemand die Eier hat um das zu sagen“. Dabei ist es völlig irrelevant, dass ihre Meinung kompletter Nonsens ist.

Ich bin Menschen wie Sie einfach Leid. Menschen, die immer nur erklären, warum etwas nicht funktionieren kann. Mich interessiert, wie Dinge gelingen können, auch wenn es mit viel Anstrengung und Zeitaufwand verbunden ist.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, dass sie endlich die Fähigkeit erlangen, das Gute, Echte und Schöne im Menschen zu erkennen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie das überhaupt wollen.

Titelbild: Flüchtlingshelfer im Ferry Dusika-Stadion (Stefan Kastél)

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10 Kommentare

  1. Ich danke Dir für diesen Brief ! Aber ich befürchte, dass Herr Baumgartner gar nicht versteht, worum es geht – leider. Er fällt lieber auf die Tiraden seiner nahestehenden Partei rein – und Hinterfragen scheint er ja gar nicht zu kennen. Trotzdem muss man ihn als Erwachsenen einstufen :-(

  2. Bravo, Stefan Kastél!
    Vielen Dank für die klaren Worte!

  3. Danke für Ihr Engagement und diesen Brief!
    Danke besonders für den Satz:
    Ich bin daran interessiert, wie Dinge GELINGEN …

  4. Wäre es ein Artikel, in dem gegen Flüchtende gehetzt würde, gäbe es hier nicht nur drei zustimmende Kommentare sondern 300.

  5. Ich freue mich über den Enthusiasmus, Tatendrang und Willen des Herrn Kastél! Mögen seine Taten fruchtbar sein. Allerdings kann ich als aktiver Student im Fach Germanistik und DAZ/DAF (Deutsch als Zweitsprache/Fremdsprache) sowie durch meine Tätigkeit bzgl. Pflichtversicherungsangelegenheiten seine Meinung nicht teilen und (auch nach derzeitigen Feldforschungen) leider nur bestätigen, dass ein überwiegender Teil erwachsener Migranten auch nach Jahren lediglich einfache Gespräche führen und sinnerfassendes Lesen oft ebensowenig können wie das Führen elaborierte Gespräche. Dies liegt mitunter auch oft daran, dass sie sich im Alltag von den Kindern und Jugendlichen in der Familie oder in deren Umfeld, welche die Sprache einigermaßen erlernt haben und beherrschen, selbst die einfachsten Dinge übersetzen lassen, was sich nicht erst bei der aktuellen Flüchtlingssituation zeigt, sondern auch schon bei den früheren Generationen von Gastarbeitern mitunter häufig zu beobachten ist. Dass die Leute ihren Frieden finden wollen möchte ich hier gar nicht absprechen, allerdings geschieht dies meiner subjektiven Meinung nach doch auch sehr oft ohne dem Willen Teil der österreichischen Gesellschaft zu werden, sondern (aus welchen Gründen auch immer) in Form einer Gruppenbildung und Abschottung von der restlichen, Deutsch als Muttersprache sprechenden Gesellschaft, was sich nicht nur in gewissen Bezirken Wiens sondern auch in kleineren Städten und Gemeinden beobachten lässt. In der Hoffnung auf ein friedliches nicht nur Neben- sonder Miteinander verbleibe ich, hochachtungsvoll!

    1. Werner Schaffenrath

      Wie bedeutend! Sie „bestätigen“! Allerdings messe ich der Bestätigung einer Grundschullehrerin oder eines Lehrlingsausbilders, der mit geflüchteten Minderjährigen arbeitet, mehr Bedeutung bei. Ich selbst habe festgestellt, dass viele der Flüchtlinge weitaus bessere Englischkenntnisse haben, als der Durchschnitt der „gelernten“ Landsleute.

  6. Ingeborg Neurauter

    Sehr geehrter Herr Kastél, sie sprechen mir aus der Seele – dieses Individuum (anders kann ich das nicht bezeichnen) ist dermaßen verzichtbar. Soviel Dummheit muss doch eigentlich unsagbar weh tun. Leider wird er ihre Message wieder einmal nicht verstehen, dazu fehlen ihm einige dringend benötigte „Kurse“ und auch diese werden nichts mehr ändern. Lassen sich sich von Dummheit, Unwissenheit und Intoleranz nicht von ihren Idealen abbringen. Schön, dass es Menschen wie sie gibt, so ist das Leben in den heutigen Gesellschaften noch einigermaßen erträglich. Liebe Grüße

  7. Ich finde es ja generell anmaßend wenn sich Österreicher über andere Ausländer aufregen, weil die nicht richtig deutsch sprechen können.

    Beste Grüße aus Deutschland ;-)

    1. richtiges Deutsch

  8. Sie sprechen mir und vielen anderen aus der seele,auch ich habe hr baumgartner schon in einer mail meine meinung gesagt! Seinen geistigen sprechdurchfall sollte er lieber für sich behalten,statt seine bekanntheit positiv zu nutzen,hat er nix besseres zu tun als seine sexistischen,hetzerischen kommentare zu posten,oder für die prügelstrafe zu werben! Eine armselige berühmtheit!

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