Bertolt Brecht, der heute seinen 117. Geburtstag gefeiert hätte, zählt ohne Zweifel zu den größten Dramatikern des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile ist schon vergessen, dass der Literat in Österreich einst kein gern gesehener Gast war.
Die Stücke Brechts haben Weltruhm erlangt. Sein Episches Theater ließ die Bühne zu weit mehr werden, als Schauplatz bloßer Unterhaltung. Sie wurde zum Ausdruck gesellschaftlicher Konflikte und Zusammenhänge und machte dem Publikum gleichzeitig bewusst, selbst Akteur dieser Prozesse zu sein. Brecht war ein politischer Kopf, Antifaschist und Marxist.
Aber auch Abseits der politischen Komponente gehört Brecht heute zum kulturellen Allgemeingut. Die Lieder aus seinen Dramen, die der kongenialen Zusammenarbeit mit Kurt Weill entstammen, sind quer durch alle gesellschaftlichen Schichten populär: Ob die „Moritat von Mackie Messer“, die von einer Tanzband am Land zum Besten gegeben wird oder die herrliche Coverversion des „Alabama Songs“ von den Doors um zwei Uhr früh in einer verrauchten Studentenbar.
Österreich hat eine spezielle Beziehung zu Brecht. Im Jahr 1950 arbeiteten Brecht und seine Frau, die in Wien geborene Schauspielerin Helene Weigel, an den Salzburger Festspielen mit. Im Zuge dessen wurde ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Brecht selbst machte kein Hehl daraus, nicht aus der DDR, wo er mit dem „Berliner Ensemble“ arbeitete, wegziehen zu wollen – man wollte ihn in Österreich auch nicht. Was als Skandal begann, der vor allem den Blätterwald („Kulturbolschewistische Atombombe auf Österreich abgeworfen“, schrieben die Salzburger Nachrichten) und die Politik der Alpenrepublik beschäftigte, wurde zu einem Paradebeispiel antikommunistischer Propaganda im Zuge des Kalten Krieges. Rund ein Jahrzehnt sollten Brechts Stücke von österreichischen Bühnen verschwinden.
So neutral sich das offizielle Österreich im Kalten Krieg nach außen hin gab, so klar waren unter der Oberfläche die Rollen definiert. Das Böse, das war der Osten, der Kommunismus.
Hans Weigel und Friedrich Torberg, zwei österreichische Literaten, waren in der Zeit des Nationalsozialismus ebenfalls im Exil und bildeten Mitte der 50er Jahre die intellektuelle Speerspitze gegen Brecht. Torberg war Brechts kommunistische Weltanschauung schon seit Längerem ein Dorn im Auge. Bereits 1946 attestierte er dem Dramatiker, dass aus ihm „seit zehn Jahren nur noch Scheiße“ herauskomme. Eine Plattform dafür bot die Zeitschrift „FORVM“, als einer deren Herausgeber Torberg agierte. Finanziert wurde das „FORVM“ von einer CIA-Vorfeldorganisation.
Der Kulturbetrieb und selbst die „Arbeiterzeitung“ stimmten in die Polemiken Weigels und Torbergs ein. Die etablierten Theater weigerten sich in der Folge, Stücke von Brecht aufzuführen. Jene, die sich gegen die Schmähung Brechts stellten, wurden dem Geist der Zeit entsprechend als „Kryptokommunisten“ oder „kommunistische Agenten“ verunglimpft, so etwa der Autor Friedrich Heer. Brecht verschwand von den österreichischen Bühnen, lediglich wenige alternative Theater, wie das „Neue Theater in der Scala“, bildeten eine Ausnahme. In die Literaturgeschichte hielt diese Phase als „Brecht-Boykott“ Einzug.
Nur langsam wagte man sich Anfang der 60er Jahre wieder an Brecht-Inszenierungen, so am Salzburger Landestheater und am Volkstheater Wien. Die Presse konnte den antikommunistischen Beissreflex jedoch noch nicht ablegen und schwieg die Vorstellungen tot oder verriss sie.
Weigel und Torberg waren auf „ihre“ Verhinderung Brechts zeitlebens stolz. 1973 ging die Sache noch einmal vor Gericht. Alfred Kolleritsch und Klaus Hoffer nannten Torberg in den „manuskripten“ einen „Brecht-Verhinderer“ und „CIA-Schützling“. Zu Unrecht?
Text: Alexander Melinz
Buchtipp: Kurt Palm: Vom Boykott zur Anerkennung. Brecht und Österreich. Löcker, Wien / München 1983.
Bild: Bert Brecht und andere Intellektuelle bei der Friedenskundgebung des Kulturbundes am 24.10.1948 in der Deutschen Staatsoper (Admiralspalast) in Berlin (Bundesarchiv, Bild 183-H0611-0500-001 / CC-BY-SA)