„Ich glaube nicht an Gott. In Spanien bekreuzigen sich alle 22 Spieler vor jedem Spiel. Würde das irgendwas bewirken, dann gingen danach alle Spiele grundsätzlich unentschieden aus.“ (Johan Cruyff)
Seit dem Beginn meiner knapp achtjährigen, mäßig erfolgreichen „Karriere“ als Fußballer bei der Union Burgkirchen hat sich mein emotionales Verhältnis zum Fußball doch etwas abgekühlt (1). Umso mehr kann ich aber auch nicht-fußballbegeisterten Menschen Klaus Zeyringers Buch „Fußball. Eine Kulturgeschichte“ empfehlen – und den Fußballbegeisterten sowieso. Zeyringer beleuchtet dabei die Welt des runden Leders von den aristokratischen Anfängen in England über deren Wandel hin zum Massenphänomen proletarischer (Gegen-)Kultur, deren Instrumentalisierung für nationalistische Zwecke und freilich auch die Kommerzialisierung des Fußballs im Zeitalter des neoliberalen Kapitalismus.
Das Buch zeichnet ein lockerer Erzählstil aus, es ist ebenso reich an Fakten wie erheiternden Anekdoten und damit jedenfalls unterhaltsam. Daniel Kehlmann hat folgerichtig darüber geurteilt:
„Ich kann nicht Fußball spielen, und ich interessiere mich auch nicht für Fußball. Naturgemäß wollte ich daher auch nie etwas über Fußball erfahren – bis mir dieses Buch in die Hände fiel. Etwas Interessanteres zum Thema kann ich mir nicht vorstellen. Lesen Sie das. Im Ernst: Lesen Sie das!“
(1) Als ich sechs Jahre alt war, musste die Mama dem kleinen Robert eine halbjährige Spielpause verpassen, weil ich bei meinem ersten Spiel nach der Auswechslung in der Halbzeit beim Spielstand von 1:0 auf der Ersatzbank so bitterlich geweint habe – die gegnerische Mannschaft hätte ja den Ausgleich und vielleicht gar noch den Siegestreffer erzielen können. Derart von übermäßigem Ehrgeiz geheilt, konnte ich später auch ohne bleibende Schäden eine Saison in der U12 überstehen, in der wir jedes Spiel zweistellig verloren haben.
Das Buch wurde vorgestellt von Robert Krotzer.
Siehe auch: „Massenphänomen Fußball“ (6-teilige Serie von Noah Krügl)
- Für die Proletarisierung des Fußballs! (Einleitung)
- Fußball als Massenphänomen (Teil 1)
- Die Rolle Österreichs im internationalen Fußball (Teil 2)
- Fußball in der Zeit des Faschismus (Teil 3)
- Fußball, das Kapital und der Widerstand der Fans (Teil 4)
- Ultras – Mehr als nur Fußballfans (Teil 5)
- Football is for you and me… (Teil 6)
Weitere Buchvorstellungen:
- „Kinder der Tage“ (Eduardo Galeano)
- „Familie Salzmann“ (Erich Hackl)
- „Deutsche Demokratische Rechnung. Eine Liebeserzählung“ (Dietmar Dath)
- Über Kurt Tucholsky
- „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ (Richard David Precht)
- „Der Aufstand des Gewissens“ (Jean Ziegler)
- „Superhenne Hanna“ (Felix Mitterer)
- „Die Diktatur des Kapitals“ (Hannes Hofbauer)
- „Die schützende Hand“ (Wolfgang Schorlau)
- „Hitler war kein Betriebsunfall“ (Emil Carlebach)
- „Heldenplatz“ (Thomas Bernhard)
- „Zwölfeläuten“ (Heinz R. Unger)
- „MARX“ – Graphic Novel (Corinne Maier, Anne Simon)
- „Gefährliche Bürger“ (Christoph Giesa und Liane Bednarz)
- „Ändere die Welt. Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“ (Jean Ziegler)
- „Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee“ (Dietmar Dath & Barbara Kirchner)
- „Neue Vahr Süd“ (Sven Regener)
- „Die Viertel der Reichen“ (Louis Aragon)
Foto: Robert Krotzer (fb); Titelbild: A Corner Kick, Sunderland v. Aston Villa von Thomas M. M. Hemy, 1895 (gemeinfrei)