Wenn ein Buch in meiner Bibliothek gleich zwei Mal steht, dann muss es wohl lesenswert sein. „Reisen in das Land der Kriege“ (Kurt Köpruner) vorgestellt von Franz Fuchsbauer
Kurt Köpruner reiste zwischen 1990 und 2000 aus beruflichen sowie privaten Gründen viele Male in das zerfallende Jugoslawien. Das Buch ist eine Beschreibung seiner Reisen, seiner Begegnungen und Gespräche. Mit der Zeit stellt er fest, dass sein persönlicher Eindruck oft der westlichen Presse widerspricht oder nur zum Teil abdeckt. Der Autor hat einen unideologischen Blick auf die Geschehnisse und vergleicht sie mit der Medienberichterstattung in Deutschland und Österreich sowie der Außenpolitik der NATO Länder.
Das Buch liest sich wie ein spannendes Reisetagebuch – ist aber wesentlich mehr. Es erzählt eine Episode der Geschichte des ausklingenden 20. Jahrhunderts mit historischen Exkursen um das Gesamtbild besser zu verstehen. Es ist auch ein Lehrbuch für das Verständnis von Krisen und Kriegen auf der Welt, der damit verbundenen Berichterstattung und der Interessen von Weltmächten. Kriege und gebrochenes Völkerrecht, die als “humanitäre Interventionen” vermarktet werden. Medienkonzerne als willfährige Handlanger der Politik statt Gewaltenkontrolle. Das Buch liefert auch Hintergründe wie die mediale Vorbereitung der Bevölkerung mittels professionellen PR Agenturen funktioniert, um schließlich das militärische Eingreifen ohne großen Widerstand durchführen zu können.
Kurt Köpruner erzählt die Gründe für die Zerschlagung Jugoslawiens, erklärt die völlig obskure Verteufelung Milosevic’ und aller Serben die als Kriegstreiber und Schuldige gebrandmarkt werden, während Franjo Tudjman und Alija Izetbegovic als westliche Verbündete hofiert werden. Von Krieg zu Krieg von Kroatien 1991-1995, über Bosnien 1992-1995, und schließlich Serbien, 1998-1999, erkennt er immer schärfer die hinter den leeren Reden der „internationalen Staatengemeinschaft“ verborgenen wahren Interessen. Die völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen der NATO hatten mit der vielfach behaupteten “humanitären Intervention” nicht viel zu tun. Das Völkerrecht wurde durch Faustrecht ersetzt.
Gestandene Autoren politischer Bücher schaffen es nicht, das Thema in solch spannender Erzählweise zu transportieren. Wer über allzu wissenschaftlichen Büchern zu dem Thema regelmäßig einschläft oder jemand der überhaupt einen Einstieg in das Thema sucht, dem kann ich dieses Buch nur wärmsten empfehlen.
Reisen in das Land der Kriege – Erlebnisse eines Fremden in Jugoslawien
von Kurt Köpruner
Das Buch erschien erstmals 2001 im Espresso Verlag, Berlin. Anschließend gab es überabeitete Auflagen 2003 im Heinrich Hugendubel Verlag, München und auch 2010 im ProMedia Verlag, Wien.
Sonntag ist Büchertag
Bisher:
- „Kinder der Tage“ (Eduardo Galeano)
- „Familie Salzmann“ (Erich Hackl)
- „Deutsche Demokratische Rechnung. Eine Liebeserzählung“ (Dietmar Dath)
- Über Kurt Tucholsky
- „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ (Richard David Precht)
- „Der Aufstand des Gewissens“ (Jean Ziegler)
- „Superhenne Hanna“ (Felix Mitterer)
- „Die Diktatur des Kapitals“ (Hannes Hofbauer)
- „Die schützende Hand“ (Wolfgang Schorlau)
- „Hitler war kein Betriebsunfall“ (Emil Carlebach)
- „Heldenplatz“ (Thomas Bernhard)
- „Zwölfeläuten“ (Heinz R. Unger)
- „MARX“ – Graphic Novel (Corinne Maier, Anne Simon)
- „Gefährliche Bürger“ (Christoph Giesa und Liane Bednarz)
- „Ändere die Welt. Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“ (Jean Ziegler)
- „Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee“ (Dietmar Dath & Barbara Kirchner)
- Die Viertel der Reichen (Louis Aragon)
- „Wie Italien an die Räuber fiel“ (Gerhard Feldbauer)
- „berlin. bleierne stadt“ (Jason Lutes)
- „Das war Österreich“ (Robert Menasse)
- „Narr“ von Schilddorfer & Weiss
- „Fußball. Eine Kulturgeschichte“ (Klaus Zeyringer)
Foto: Franz Fuchsbauer