Es wird heißer als je zuvor in der Menschheitsgeschichte

Artwork by R. Manoutschehri

Klimastudien erwarten nie gekannte Hitzerekorde – schon diesen Sommer – die Erderwärmung von 1,5 Grad ist bereits fast erreicht.

Von R. Manoutschehri

Von der schlichten Wetterprognose bishin zum Langzeit-Trend des Klimas – alles deutet derzeit darauf hin, dass wir im Hochgeschwindigkeitstempo auf eine neue Heißzeit zusteuern. Diese mess- und sichtbare Entwicklung hat zum Einen schon vor über zwei Jahrzehnten begonnen und wird sich zum Anderen sehr bald jeglicher Kontrolle oder Umkehrung durch unsere Einflussnahme entziehen.

Trotz Corona-Lock-Down werden schon für diesen Sommer neue Hitzerekorde prognostiziert und die laut internationalen Klimazielen erst für 2050 einzuhaltenden, maximalen Anstiege globaler Erwärmung sind schon jetzt fast erreicht. Das Handlungsfenster für Gegenmaßnahmen, die ein langfristiges Überleben unserer Zivilisation sichern könnten, schrumpft auf: Jetzt (oder nie).

418 ppm – Höchste je gemessene CO2-Werte der Menschheitsgeschichte

Haupttreiber der Erderwärmung sind Treibhausgase, allen voran das langlebige Kohlendioxid. 2019 erreichten die CO2 Konzentrationen Spitzenwerte von 415 ppm (Teilchen pro Million), die beiden Jahre zuvor waren es noch 412 ppm, 2016 waren es 409 ppm und 2015 wurde erstmals die 400 ppm Marke überschritten. Jahr für Jahr brechen die CO2-Werte also neue Rekorde für das höchste Niveau und die schnellste Anstiegsrate seit Beginn der Aufzeichnungen.

Doch jetzt erreichen sie ein Niveau, das über alles hinausgeht, was selbst ein vorindustrieller Homo sapiens kennen gelernt hat oder unsere Spezies überhaupt je erlebt hat – inklusive Klima- und lebensverändernder Folgen auf der ganzen Welt. Denn Anfang Mai 2020 wurden am Mauna Loa Observatorium wiederholt Tageswerte atmosphärischer CO2 Konzentrationen von über 418 ppm gemessen. Werte, wie sie die Erde wohl zuletzt vor etwa rund 15 Millionen Jahren erlebt hat.

Rückblick als Ausblick

Im damaligen erdgeschichtlichen Zeitalter des Miozäns (23 – 5 Millionen Jahre vor heute), als sich Alpen, Himalaya und Rocky Mountains durch die Kontinentalplattendrift auftürmten, stiegen die CO2 Werte von anfänglich 350 ppm bis auf über 500 ppm. Die Temperatur lag während des Klimaoptimums wohl um 6 bis zu 25 °C über dem heutigen Niveau, woraufhin u.a. die ersten großen Savannengebiete entstanden und sogar das Mittelmeer austrocknete, während sich unsere Ahnen im Schutz subtropischer Urwälder langsam von Affen zu menschenartigen Hominiden entwickelten.

Doch was damals Millionen Jahre dauerte, geschieht heute im Zeitraffer von zwei, drei Jahrhunderten, jedenfalls aber in einem Tempo, dem sich nur wenige Spezies auf unserem Planeten anpassen werden können; Homo sapiens miteingeschlossen.

Nachdem die Jahre 2015 bis 2019 als heißeste Fünfjahresphase seit Beginn des Industriezeitalters eingestuft wurden und das Jahr 2019 als heißestes Jahr Europas in die Klimageschichte einging (weltweit als Zweitheißestes), in dem die Temperatur um 1,24 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010 lag, gibt nun der aktuelle „Global Seasonal Climate Update“ Bericht der Weltwetterorganisation WMO einen Ausblick auf das Jahr 2020.

WMO sagt neue Hitzerekorde voraus

Demzufolge werden die durchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen in weiten Teilen der Welt im Mai und Juni auch zu überdurchschnittlichen Landtemperaturen führen – insbesondere in den Tropen und in Europa. Der globale Erwärmungstrend des Klimawandels von fast 0,2 ° C pro Jahrzehnt seit Ende der 1970er Jahre trägt dazu bei und wird die Serie der Rekordwerte in diesem Jahrhundert fortsetzen.

Trotz fehlender Erwärmung des als El Niño bekannten Wetter-Ereignisses (ENSO) im äquatorialen Pazifik liegen die globalen durchschnittlichen Oberflächentemperaturen im Jahr 2020 erneut auf Rekordniveau. Nach Angaben des Copernicus Erdbeobachtungsprogramms der Europäischen Weltraumorganisation ESA war der April mit einem Plus von 0,7 ° C über dem langjährigen Mittel der Wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – nur im Jahr 2016, als es einen starken El Niño gab, war es noch heißer. Besonders stark betroffen, lokal um bis zu 3 Grad über dem langjährigen Mittel, waren hierbei der Westen Europas, Nord- und Zentral-Eurasien, Teile Grönlands und der Antarktis.

Auch die globalen Temperaturen im März 2020 waren laut Berkeley Earth Analysen die Viert-Wärmsten seit 1850. Jänner und Februar nehmen jeweils Platz 2 in der Messgeschichte ein. Dies entspricht bereits fast den 1,5 Grad Celsius über dem Durchschnitt von 1850 bis 1900, welcher meist als Benchmark für die vorindustrielle Periode verwendet wird, und erreicht somit bereits fast jenen (laut Klimazielen von Paris) Grad an Erderwärmung, bei dem Kipppunkte im Klimasystem der Erde überschritten werden – und eine nicht mehr zu stoppende Erderwärmungsperiode einleiten.

Für das laufende Jahr erwarten die WMO Langzeit-Vorhersagemodelle, dass die Meeresoberflächentemperaturen in den Tropen und in weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre überdurchschnittlich hoch sein werden, wohingegen im Zentral- und Ostpazifik eher durchschnittliche Bedingungen vorhergesagt werden – Beides zusammen wird die darüber liegende tropische atmosphärische Zirkulation und das Klima mitsamt der Niederschlagsverteilung spürbar beeinflussen.

Während im mittleren und östlichen Pazifik nahezu durchschnittliche Niederschlagsbedingungen prognostiziert werden, steigt die Wahrscheinlichkeit überdurchschnittlicher Niederschläge nördlich des Äquators im zentralen tropischen Pazifik und im Indischen Ozean sowie in Australien und im indonesischen Archipel an. Unterdurchschnittliche Niederschläge werden hingegen für Südamerika, die Karibik und den indischen Subkontinent vorhergesagt.

„Selbst ENSO-neutrale Monate sind wärmer als in der Vergangenheit, da die Luft- und Meeresoberflächentemperaturen sowie die Meereswärme aufgrund des Klimawandels gestiegen sind und dies einen großen Einfluss auf extreme Ereignisse wie tropische Wirbelstürme und Niederschlagsmuster hat“, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas am Dienstag dazu in Genf. „Das Global Seasonal Climate Update bietet einen umfassenden Überblick darüber, was in den kommenden Monaten zu erwarten ist – und worauf sich die Menschen einstellen müssen.“

Corona Lock-Down zeigt nur geringe Wirkung

Die Jahre 2015 bis 2019 zeigten nicht nur die höchsten Temperaturen sondern auch den höchsten Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre – im Vergleich zur vorhergehenden Fünfjahresperiode geht die WMO von einer 18-prozentigen Zunahme aus. Für 2020 und seit Beginn des COVID-19-Pandemie bedingten Lock-Downs mit verringerten Emissionen aus Verkehr und Industrie prognostizierten mehrere Institute jedoch einen Rückgang der Werte um bis zu 5,7 Prozent. Die Internationale Energieagentur IEA geht sogar davon aus, dass die globalen Emissionen fossiler Brennstoffe im Jahr 2020 um 8% sinken werden.

„Ein Rückgang allgemeiner Emissionen ist aber leider nur eine kurzfristig gute Nachricht“, sagte Taalas in einem Statement dazu. Sie würden v.a. in besserer bodennaher Luftqualität münden. „CO2 bleibt jahrhundertelang in der Atmosphäre und in den Ozeanen. Der Rückgang der Kohlenstoffemissionen spiegelt sich in einem Rückgang der üblichen Luftschadstoffe aus Autoabgasen und fossilen Brennstoffen wie Lachgaspartikeln, N2O und Stickoxiden wider. Ihre Lebensdauer beträgt in der Regel Tage bis Wochen, sodass die Auswirkungen schneller sichtbar werden. Aber die Änderungen der Kohlenstoffemissionen hatten bisher keine Auswirkungen auf das Klima“, so Taalas.

Dass vorübergehende Emissionsminderungen nicht ausreichen, um den Anstieg der globalen Temperaturen zu verlangsamen, wird auch durch eine Analyse des Met Office und der Scripps Institution for Oceanography bestätigt. CO2-Emissionen und CO2-Konzentrationen sind nicht dasselbe: „Emissionen“ sind die Menge an CO2, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre freigesetzt wird, einschließlich Verbrennung fossiler Brennstoffe und Entwaldung. „Konzentrationen“ sind hingegen die Menge, die sich tatsächlich in der Atmosphäre befindet. Eine geringfügige Reduzierung der Emissionen verringert nicht sofort die Konzentrationen, sondern verlangsamt nur die Steigerungsrate.

„Eine Analogie besteht darin, eine Badewanne über einen Wasserhahn zu füllen – auch wenn wir den Wasserzufluss herunterdrehen, ist das kein vollständiges Abstellen und der Wasserstand steigt dennoch immer weiter“, sagt Professor Richard Betts, Projektleiter am Met Office Hadley Centre.

„Obwohl die Emissionen in diesem Jahr sinken, bedeutet dies nicht, dass sich die CO2-Anreicherung in der Atmosphäre umkehren wird – sie wird nur geringfügig langsamer sein. Ohne Lock-Down wäre die Gesamtmenge an CO2 in der Atmosphäre im Jahr 2020 gegenüber dem globalen Durchschnitt von 2019 um 0,68% gestiegen. Mit Lock-Down prognostizieren wir jedoch einen Anstieg von 0,60%. Entscheidend sei jedenfalls, dass die Reduzierung des CO2-Anstiegs in diesem Jahr nicht ausreicht, um den anhaltenden Anstieg der globalen Temperaturen zu verlangsamen.“

Jetzt oder nie

Um den CO2-Anstieg tatsächlich zu stoppen und eine weitere Erwärmung zu verhindern, müsste sich die Weltgemeinschaft dazu durchringen, die CO2-Emissionen ehestmöglich zu halbieren und dann langfristig und schrittweise noch weiter zu reduzieren, so die Forscher. Und das Handlungsfenster für Gegenmaßnahmen, die ein langfristiges Überleben unserer Zivilisation sichern könnten, schrumpft auf: Jetzt (oder nie).

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2 Kommentare

  1. Ich weiss in etwas was es bedeutet 418 ppm in der Atmosphäre zu haben! Wünschte mir eine einfache Erklärung dafür was 418 ppm bedeutet! Also die 418 Teilchen aus CO2 befinden sich in der „Luft“, bleiben ja bestehen, sogar dann, wenn wir augenblicklich Null Emissionen haben würden! Also ich meine, dass recht viele diese Tatsache nicht verstehen..

  2. […] Vielen Dank an Robert. Manoutschehri. Hier die Hier der Originalartikel. […]

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