Ein langes Leben für Gerechtigkeit

Spanienkämpfer Gert Hoffmann im Alter von 97 Jahren gestorben

Gestern ist Gert Hoffmann, der vorletzte noch lebende österreichische Spanienkämpfer, im Alter von 97 Jahren verstorben. Ein Blick auf sein langes Leben für Gerechtigkeit:

Geboren am 9. Juni 1917, wuchs Gert Hoffmann in einer sozialdemokratischen, jüdischen Familie auf und wurde schon früh politisch aktiv. Sein fünf Jahre älterer Bruder Wolfgang, welcher mit 14 Jahren von zu Hause ausriss, um sich in Hamburg als Schiffsjunge durchzuschlagen, kam nach dem Krisenjahr 1929 und dem schwarzen Freitag als gestandener Kommunist nach Hause und spielte für Gert eine bedeutende Rolle, heißt es in einem via facebook verbreiteten Nachruf von Claudia Hoffmann.

Die Brüder Hoffmann setzten sich zur Zeit des Austrofaschismus für die Republik ein und wurden politisch verfolgt. Gert selbst macht seine erste Bekanntschaft mit einem Polizeigefängnis im Januar 1934. Nachdem er auch in den folgenden Jahren mehrmals wegen Teilnahme an illegalen Kundgebungen in der Polizeihaft landet, wird er im Juni 1937 wegen Hochverrats und Aufwiegelung zu einer fünfjährigen Kerkerstrafe verurteilt und in das Zuchthaus Stein eingeliefert. Von dort im Februar 1938 im Zuge einer von Kanzler Schuschnigg als Vorbereitung der Volksabstimmung über die Zukunft Österreichs verkündeten politischen Amnestie freigekommen, nimmt er sogleich an den Demonstrationen gegen die drohende Nazigefahr teil. Am 10. März, zwei Tage vor dem Einmarsch der Hitler-Wehrmacht, gelingt ihm die Emigration in die Tschechoslowakei.

Allerdings war dieses Exil nur von kurzer Dauer und Gert schaffte es über Paris nach Spanien. Das war 1938. In diesem Jahr tobte der erbitterte Kampf – Franco gegen die spanische Republik.
Nach einer kurzen militärischen Ausbildung erfolgt im August 1938 der Einsatz in der Ebroschlacht, danach die Demobilisierung der Internationalen Brigaden. Nach diesem »bitteren Herbst« ist Gert noch einmal nördlich von Barcelona an der Front. Gegen die Übermacht der faschistischen Armeen der Putschisten können die inzwischen geschwächten republikanischen Verbände nicht mehr bestehen. Es folgt der Marsch über die Pyrenäen, der in französischen Internierungslagern endet, in denen hunderttausende republikanische Soldaten unter miserabelsten Bedingungen festgehalten werden. Viele von ihnen werden nach der Besetzung Frankreichs an Hitlerdeutschland ausgeliefert.

Gert Hoffmann landet zunächst, wie viele andere Kampfgenossen seiner Brigade, im Februar 1939 in den mit Stacheldraht umzäunten Dünen bei St. Cyprien, wo die Internierten unter den Hieben der Garde Mobile mit bloßen Händen Unterkünfte und Feuerstellen einrichten, Brunnen graben und Sanitäreinrichtungen bauen. Die Lage scheint ausweglos: eine Stange Brot für zehn Männer, infiziertes Wasser, Durchfall, zerfetzte Decken, die kaum Schutz gegen die kalten Februarstürme bieten. Nachdem Baumaterial im Lager eintrifft, sind es der deutsche Schriftsteller Ludwig Renn und der Österreicher Hans Hertl, die die Initiative ergreifen und die erschöpften Gefährten zum Barackenbau animieren. Den 1. Mai feiern die Brigadisten schon in ihrer in Eigeninitiative organisierten Lagerstruktur.

Während der Jahre in verschiedenen Internierungslagern gelingt es Gert, sowohl seinen Vater als auch den Bruder ausfindig zu machen. Sie können sich ein letztes Mal treffen . Gert schafft es, mit spanischen Papieren als Landarbeiter in Frankreich unterzutauchen. Der Vater kommt im berüchtigten Lager Le Vernet, im Süden Frankreichs, zu Tode. Der Bruder wird 1942 nach Auslieferung an die Deutschen im KZ Groß Rosen ermordet. Als Gert Ende 1944 im schon befreiten Brüssel nach seiner Mutter sucht, erfährt er, dass sie mit einem der letzten Transporte deportiert wurde. Ihre Spur verliert sich im Grauen von Auschwitz.

Im Januar 1945 wird Gert Hoffmann von der US-Armee rekrutiert, nimmt als GI an der Befreiung Deutschlands vom Faschismus teil und demobilisiert am 12. Mai im bayrischen Plattling. Erst am 12. November 1945 ist er dann wieder in Wien. Die ersten Nachkriegsjahre schlägt er sich mit verschiedenen Jobs durch, zunächst als Dolmetscher und Übersetzer bei der US-amerikanischen Public Safety Division im Palais Auersperg, danach als Disponent des Rohfilmlagers der sowjetisch verwalteten Wien-Film am Rosenhügel. Den ersten Job verliert er, nachdem er am 1. Mai 1946 mit dem Demonstrationszug der KPÖ, die rote Fahne schwingend, an seinem Arbeitsplatz vorbeimarschiert, den zweiten nach Abschluss des Staatsvertrages 1955 über ein »unabhängiges und demokratisches« Österreich, als die neue, nunmehr antisowjetische Verwaltung der Wien-Film unverzüglich alle politisch nicht opportunen Mitarbeiter entlässt.

Gert wird also Handelsvertreter für die Firma Koreska und verkauft deren Kohlepapier vor allem in Lateinamerika, wobei ihm seine hervorragenden Spanischkenntnisse besonders zugute kommen. Als ihm sein Chef 1967 den Parteiaustritt nahelegt, hat sich bereits ein kritisches Verhältnis zur KPÖ entwickelt. Er entscheidet sich für den Papierhandel und gegen die Partei. Doch – Ironie des Schicksals – als der Markt für Kohlepapier mit dem Aufkommen der Kopiermaschinen einbricht, wechselt Gert noch einmal den Job und landet in der Sowjetunion als Vertreter für Druckmaschinen made in USA.

Gert wollte Frieden und Freiheit, er wollte sich für Demokratie einsetzen und stritt gemeinsam für ein besseres Morgen. Im Oktober 1985, im Alter von 69 Jahren ging er noch als Brigadist nach Nicaragua, wo er sich am Aufbau des Landes beteiligte.

Irgendwann 1998, mit 81 Jahren, blickte Gert Hoffmann auf sein Leben zurück und sagte:
„Wenn meine Kinder mich heute fragen, ob ich zu meinen Jugendidealen stehe, antworte ich ihnen: Meine Träume von damals haben sich nicht erfüllt. Um ihre Verwirklichung haben sich unzählige Menschen bemüht und dafür große Opfer gebracht. Ich kann mich damit nicht abfinden, dass es unmöglich sein soll, der Gerechtigkeit in dieser Welt zum Durchbruch zu verhelfen“

In diesem Sinne rufen wir dem am 9. Juli verstorbenen Interbrigadisten zu: Hasta la victoria, siempre!

Quellen: Nachruf von Claudia Hoffmann (fb); kominform.at – zusammengestellt von Michael Wögerer
Foto: Claudia Hoffmann

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