Seit 1911: Kampftag für die Rechte der arbeitenden Frauen
Am 26. und 27. August 1910 fand in Folkets Hus in Kopenhagen die II. Internationale Sozialistische Frauenkonferenz statt, an der 100 Delegierte aus 17 Ländern teilnahmen. Höhepunkt der Konferenz war die einstimmige Annahme der von Clara Zetkin, Käte Duncker und anderen Genossinnen eingebrachten Resolution, in der der Vorschlag unterbreitet wurde, im „Einvernehmen mit den klassenbewussten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats“ und „als einheitliche internationale Aktion einen alljährlichen Frauentag“, als Kampftag der Arbeiterbewegung zur Durchsetzung der Forderungen der Frauen zu begehen.
Zentrale Forderungen waren:
- Wahl- und Stimmrecht für Frauen
- gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung
- Arbeitsschutzgesetze / Achtstundentag
- Festsetzung von Mindestlöhnen
- ausreichender Mutter- und Kinderschutz
- gegen den imperialistischen Krieg
Schließlich fand am 19. März 1911 der erste Internationale Frauentag in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den USA statt und übertraf alle Erwartungen. Es beteiligten sich über eine Million Menschen – überwiegend Frauen – an den Versammlungen und Demonstrationen, deren Inhalt vor allem das Frauenwahlrecht war.
Ein Jahr darauf wurde der Internationale Frauentag auf den 12. Mai gelegt, die Beteiligung war noch größer als 1911. In den darauffolgenden Jahren hatte der Frauentag dann seinen festen Platz in der sozialistischen Bewegung gefunden, wurde allerdings immer an wechselnden Terminen zwischen Ende Februar und Ende April begangen. Das nunmehrige Datum 8. März geht auf mehrere Ereignisse zurück:
- Am 8. März 1857 waren die Textilarbeiterinnen in New York in einen Streik getreten.
- Am 8. März 1908 sind im Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zusammen mit anderen Arbeiterinnen ihrer Textilfabrik Cotton in New York in den Streik getreten. Um eine Solidarisierung der Gewerkschaften und anderer Belegschaften zu verhindern, wurden diese Frauen vom Fabrikbesitzer und den Aufsehern in der Fabrik eingeschlossen. Aus ungeklärten Gründen brach in der Textilfabrik ein Brand aus und zerstörte sie gänzlich. Nur wenigen der eingesperrten Arbeiterinnen gelang die Flucht; 129 Arbeiterinnen starben in den Flammen.
- Am 8. März 1917 – nach dem damals in Russland verwendeten julianischen Kalender der 23. Februar – streikten in Sankt Petersburg die Arbeiter- und Soldatenfrauen und erstmals auch Bauernfrauen der armen Stadtviertel und lösten damit die Februarrevolution aus.
Zu Ehren der Rolle der Frauen in der Revolution wurde auf der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 in Moskau auf Vorschlag der bulgarischen Delegation der 8. März als internationaler Gedenktag eingeführt.
Wie ging es weiter?
Bis 1918 stand das Frauenwahlrecht im Mittelpunkt des internationalen Frauentages. In der Zwischenkriegszeit waren die zentralen Themen am 8. März zum einen der legale Schwangerschaftsabbruch, sowie der Schwangeren- und Mutterschutz. Dieser Kampf wuchs zu einer Massenbewegung an, denn die Wirtschaftskrise, die damals in ganz Europa herrschte, zwang jährlich über eine Million Frauen abzutreiben. An den Folgen dieser illegalen Abtreibungen starben in Deutschland 1931 ca. 44.000 Frauen. Zum andern ging es um Existenzprobleme: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnkürzungen, Senkung der Lebensmittelpreise und Schulspeisung. Forderungen, die uns auch heute nicht unbekannt sind. Der Ausbruch des II. Weltkrieges, das Verbot kommunistischer und sozialdemokratischer Parteien und der Versuch jeglichen Widerstand auszumerzen, machte eine kämpferische Durchführung des 8. März unmöglich.
Nach dem II. Weltkrieg
In den sozialistischen Ländern wurde die gesellschaftliche Befreiung der Frau gefeiert. Der Tag wurde mit offiziellen Feiern für die Frauen organisiert, um die sozialen Errungenschaften des Staates für die Frauen herauszustellen.
In Westeuropa gewann der Tag seit den 1980er Jahren wieder größere Bedeutung. Frauen nutzen ihn, um auf Ungleichbehandlungen hinzuweisen. Themen wie die Rechte von Ausländerinnen, die Diskriminierung von nicht- heterosexuellen Lebensweisen und die bessere Sicherung der Frauenrechte wurden aufgegriffen.
Und heute?
Wie es heute um Demokratie und Gleichberechtigung in einer Gesellschaft steht, ist verlässlich an der Stellung der Frau in ihr abzulesen. Die denkbar beste bürgerliche Demokratie gibt lediglich Gleichheit vor dem Gesetz. Auf mannigfaltigste Weise bekamen Frauen es stets zu spüren: Gleichheit vor dem Gesetz ist noch lange nicht Gleichheit im Leben. Die Frauenbewegung hat zweifellos Verbesserungen, insbesondere der rechtlichen Stellung der Frau, erkämpft. Doch besteht nach wie vor eine breite Kluft zwischen der rechtlichen und der sozialen, der ökonomischen Lage der Frau.
Meist schon benachteiligt in der Bildung, haben Frauen auch bei gleicher Ausbildung wie Männer geringere Aussichten auf einen qualifizierten Arbeitsplatz. Für gleichwertige Arbeit erhalten sie eine weitaus niedrigere Bezahlung. In Krisenzeiten wird ihnen meist als erstes das Recht auf lebenserhaltende Arbeit genommen. Als billige Arbeitskräfte, in Geringfügigkeitsbeschäftigungen, in Teilzeit und als Reservearmee am „Herd“ sind sie eine Quelle zusätzlicher Profite für die Unternehmer.
Was der kapitalistische Staat für die Familie, für die Kindererziehung, für Kantinen in Schulen etc. nicht leistet, wird der Frau aufgebürdet. Sie bezahlt dafür mit einem Mindestmaß an Freizeit, an Möglichkeiten der Weiterbildung, der Entfaltung ihrer Fähigkeiten, ihrer Persönlichkeit und immer mehr mit ihrer Gesundheit.
Es gibt also heute wie damals genügend Gründe für den 8. März als Kampftag der Frauenbewegung.
„Die Frauenfrage ist keine Frage an sich und für sich, die durch Reformen zugunsten des weiblichen Geschlechts auf dem Boden der kapitalistischen Wirtschaft und innerhalb der bürgerlichen Ordnung gelöst werden kann. Meiner Überzeugung nach ist die Frauenfrage nur ein Teil der großen sozialen Frage. Und sie kann nur zusammen gelöst werden, wenn das Proletariat den Kapitalismus zerschmettert im gemeinsamen Kampf aller Ausgebeuteten, aller Unterdrückten, ohne Unterschied des Geschlechts.“
Fotos: Clara Zetkin (links) mit Rosa Luxemburg im Jahr 1910 (gemeinfrei) / Plakat für den Frauentag am 8. März 1914 (gemeinfrei) / Clara Zetkin ca. 1930 (public domain)