Im zweiten Teil dieser Miniserie zu Demonstrationen widmet sich Unsere Zeitung heute der Friedensbewegung. Es geht unter anderem um ChristInnen, Linke und die modernen Mahnwachen.

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Sammlung verschiedener Grabkreuze aus dem Ersten Weltkrieg, HGM.

987 hatte der neue Frankenkönig Hugo Capet den letzten Karolinger abgelöst. Das gelang, da vielerorts Fehden zwischen lokalen Vasallen der Krone stattfanden und Ludwig V. keinen Erben hinterließ. Capet hatte als Herzog über Jahrzehnte ein Netz mächtiger Verbündeter spinnen können, die ihn zum Herrscher wählten. Um in weltlichen Machtkämpfen von Plünderungen verschont zu werden, riefen französische (später auch andere) Kleriker die Gottesfriedensbewegung ins Leben. In Zusammenarbeit mit dem Hochadel wurden Beschlüsse verfasst, welche primär kirchliche Besitztümer und Leibeigene, deren Nutzvieh, Gebäude im Einflussgebiet kirchlichen Grunds sowie unbewaffnete Geistliche vor Gewalt schützten. Bei Messen leisteten Gläubige Friedensschwüre auf Reliquien, was zu einer effektiven Einbindung der Landbevölkerung führte. Die Untergangsstimmung zur Jahrtausendwende befeuerte die Sprechchöre für Gewaltlosigkeit. In Bourges ist ein Friedensbund nachgewiesen, dem viele Bürger und Bauern ab 15 Jahren angehörten. Sie gingen, angeführt von Pfarrern, auf die Straße und wurden 1038 vom lokalen Herzog brutal unterworfen. Trotzdem gab es ähnliche Vereine noch 300 Jahre später. DelinquentInnen aller Stände waren bei Friedensbruch gleich zu bestrafen, von Exkommunikation bis Züchtigung. So wurden bis zu den Kreuzzügen ChristInnen von Glaubensgeschwistern meist in Ruhe gelassen.

 

Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

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Hans Larwin: Soldat und Tod, 1917. Gemeinfrei. Quelle: HGM.

Es ist keinesfalls so, dass 800 Jahre lang nichts weiter passiert wäre. Aber die ersten merklichen Zeichen einer modernen Friedensbewegung sind erst ab den Napoleonischen Kriegen nachgewiesen. SozialistInnen setzten auf eine internationalistische ArbeiterInnenschaft. Die Vision lautete, dass sich das Proletariat gegen die eigenen KapitalistInnen erhebe und so der Kriegswirtschaft den Boden entzöge. Die Spaltung der Sozialdemokratie 1914 erfolgte, als ein Lager (vor allem die späteren KommunistInnen) dezidiert gegen den Krieg auftrat, während das an der Macht beteiligte Lager der Rüstung zustimmte. Erstere warben nun an der Heimatfront und in den Schützengräben dafür, die Schwäche der Kriegsparteien auszunutzen, um daheim die Revolution voranzutreiben. 1916 griff der spätere KPD-Mitgründer Karl Liebknecht bei einer Kundgebung in Berlin auf Marx zurück. Die Grenze verlaufe nicht zwischen Völkern, sondern sozialen Klassen: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“, lautete sein Fazit. Im ganzen russischen Reich führten im Sommer 1917 heftige Proteste für ein Kriegsende, soziale Sicherheit und demokratische Rechte dann zur Oktoberrevolution.

 

 

Grün ist die Hoffnung?

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Konrad Tempel: Ostermarsch 1960 von Hamburg nach Bergen-Hohne. Gemeinfrei. Quelle: wikimedia commons. 

Später, im Kalten Krieg, prägten vor allem Vietnam und die Angst vor einem Nuklearen Winter Westeuropa und die USA. Der US-Atombombenabwurf über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 hatte den Horror dieser Waffe weltweit verdeutlicht. Daher waren in der BRD und Österreich Atomkraft- wie KriegsgegnerInnen immer eng verbunden, betrachtet man einerseits die seit über fünfzig Jahren stattfindenden Ostermärsche und das AKW Zwentendorf andererseits. Aus vielen Basisgruppen dieser Zeit gingen, angetrieben vom Umweltschutz, die Grünen hervor, welche besonders im deutschsprachigen Raum prinzipientreu blieben. Dann gelangen sie in Koalitionen. Die Hoffnung in die einst pazifistischen Grundsätze wurden mit der rot-grünen Regierung in Berlin begraben: Joschka Fischer, Jürgen Trittin und andere Leitfiguren der Partei, ebenso wie prominente Grüne in Wien, wurden 1999 zu lauten AdvokatInnen der NATO-Aggression gegen die BR Jugoslawien. Das passt zum Wandel von linksradikalen Ökos zu Vollkornliberalen.

 

Reichsbürger lieben Russland

Plötzlich tragen alle das Sankt-Georgs-Band, eine gelb-schwarze Schleife, wie sie sich traditionell russische VeteranInnen und ihre Angehörigen ans Revers heften. Diesmal sind es aber Nemci und Avstrici, selbsternannte Reichsbürger und andere, Verschwörungstheorien zugeneigte Menschen unserer Zunge, welche die traditionelle Friedensbewegung im deutschsprachigen Raum gekapert haben. Am achten Mai meiden sie das Band natürlich.

Althippies und gestandene Kriegsdienstverweigerer versagen dabei, die heutigen Mahnwachen zurückzugewinnen. Stattdessen versuchen sie, diese zu missionieren – und unterliegen. Statt Antiimperialismus hört man bei den Kundgebungen platte antiamerikanische Phrasen neben kruder Finanzkritik. Wahlweise kommen antisemitische, wertkonservative, islamophobe Brandreden dazu. Manchen Linken ist dabei nicht zu helfen, sie verharmlosen oder überhören diese Brandreden. Eine Querfront ist entstanden, die nach Mahnwachen zu PEGIDA-Märschen geht. Sie gehört gnadenlos zerschlagen. Die Rechte giert nach einem Weltkrieg der Kulturen, nicht nach Weltfrieden unter gleichberechtigten Menschen. Unsere Zeitung giert nach Weltfrieden, unser Publikum hoffentlich auch.

 

Hier geht es zum ersten Teil der Serie: Paris-Prater-Parlament

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