[3K – Massenmedien am Montag: Folge 77]

BraaaaaiiinsDienstagabend, Eisenstädter Schlosspark. Ein paar blasse, verpickelte Burschen hatschen einen Pfad zur Orangerie hinauf. Sie glotzen abwechselnd auf ihre Handys und auf den Weg. Ich bin auch schon mal gegen ein Schild gelaufen, aufs Kastl starrend, aber kollektiv? Meine Interviewpartner lachen. „Die gehen da rauf, wegen der Arena.“

Eine was? Gladiatorenkämpfe? Bahnradrennen? „Nein, nein, eine Pokémon-Arena. Da treffen sich die Zombies und kämpfen mit ihren Pokémons.“ Die Pickelgesichter kehren wieder, gehen den exakt gleichen Weg, den Blick weiter auf das Smartphone gerichtet.

Samstagnacht, Alt-Ottakring. Drei betrunkene Burschen, deren Blässe in der Dunkelheit heller scheint als die spärlichen Laternen, ziehen grölend durch die Gasse. „Wartetsamal!“, ruft der hintere, „Daiseinpockemonn!“ Er bleibt mitten auf einer Kreuzung stehen. Immerhin sind wir nicht in Allentsteig oder einem bosnischen Minenfeld. Eine helle Glocke ertönt. „Jawoll! Ich hab’s!“, schreit der hintere.

Sonntagmorgen, Facebook. Zum gefühlt dreitausendsten Mal dieses Monat sehe ich Fotos, auf denen Menschen ihre Gesichter mit anderen getauscht oder technisch verzerrt haben. Die Snapchat-Filter sind mannigfaltig: Mal wird der Kopf zur Erbse, mal zum Ballon; eben noch sind die Wangen aufgebläht, nun eingefallen. Oder man setzt sich Dalmatinerohren und -nasen auf.

 

Ich habe den Tag so oft verflucht, als ich mich bei Facebook anmeldete. Nicht nur, weil das Unternehmen die Kolonisierung des Webs (Like- und Share-Plugins) so simpel vormacht. Nicht nur, weil es sein Geld damit verdient, was wir alles posten, liken und in persönlichen Nachrichten schreiben. Nicht nur, aber eben auch. Es ist binnen kurzer Zeit schwieriger geworden, sich bei Social-Media-Hypes zu rechtfertigen. Typische Dialoge rennen seither so ab:

Hast du WhatsApp?

Nein, ich will Facebook nicht noch mehr schenken.

Aber das ist so viel einfacher! DU BRAUCHST WHATSAPP!

Nein, ich habe Signal. Du kannst mich ja anrufen, anschreiben.

Hättest du dich nicht bei Facebook angemeldet! Spielst du Pokémon Go?

Nein, ich hab damals auch nicht Ingress mit den Nerds gespielt.

Du Hipster!

Du mich auch.

Hast du Snapchat?

 

Nein, denn Snapchat vergisst nicht. Abzüge von Fotos, Videos und Mitschnitte der Stimme (!) werden auf Servern der Firma gespeichert. Sie nutzt das nicht nur kostenlos für Werbung, sondern behält sich vor, nach Gutdünken Infos an die US-Regierung weiterzugeben. Pokémon Go macht ähnliches, obwohl die Stiftung Warentest meint, es sei eher intransparent als problematisch. Immerhin trete eine Verschlüsselung in Kraft.

Andererseits lesen beide Apps Kontaktdaten. Wie bei Facebook entstehen so anscheinend Schattenprofile von Nicht-NutzerInnen. Genau aus diesem Grund darf man es Webriesen nicht noch einfacher machen: Wenn schon die Zombies Nummern Dritter an diese Konzerne ungefragt weitergeben, muss das niemand mit einem Konto bei selbigen honorieren. Und wenn doch, dann sind Wegwerfadressen und ein Pseudonym (wo möglich) das Mindeste.

Bild: Shannon HaywardBraaaaaiiins…. (Lizenz: CC BY 2.0)

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