oe24 bringt, was die Leser aufhetzt – Notfalls auch doppelt

Von Stefan Kastél

screenshots oe24.at

Vergangenen Sonntag (19.3.) veröffentlichte oe24, das Internet-Portal des Boulevardblatts Österreich, einen Artikel über ein 7-jähriges Mädchen, das angeblich von fünf arabischstämmigen Männern vergewaltigt wurde. Absolut schrecklich und unvorstellbar. So unvorstellbar, dass sich genau dieser Vorfall, am selben Tag und am selben Ort, vor genau einem Jahr zugetragen haben soll. Denn am 20.03.2016 veröffentlichte oe24 genau diesen Artikel mit ähnlichem Wortlaut. Außer der BILD-„Zeitung“ in Deutschland und eben oe24, wurde darüber in keinem anderen Medium berichtet. Lediglich der NDR (Norddeutscher Rundfunk), gab später bekannt:

Ob es tatsächlich ein Opfer gegeben hat oder ob die Tat von Bewohnern der Erstaufnahme erfunden wurde, dazu will die Staatsanwaltschaft nichts sagen. Es gebe einen Vorwurf, der nicht belegbar ist.“ (mimikama.at)

Das – man ahnt es schon – interessiert 99 Prozent der Leserschaft von oe24 überhaupt nicht. „Dieses Pack muss man direkt Bolzenschussgerät an den Kopf halten“, „sofort kastrieren und nach Sibirien“ oder „arabische Schweine“ ist der einheitliche Duktus, welcher sich unter diesem Artikel entlädt. Bisher wurde der Artikel von der oe24-Facebook-Seite ausgehend 320 mal geteilt und hat über 770 Reaktionen (Stand 21.3, 12:40 Uhr).

Selbst jene Stimmen, die unter diesem Artikel darauf hinweisen, dass diese Geschichte bereits ein Jahr alt ist und es überhaupt keine Beweise gibt, sind irrelevant. Die Lunte wurde geworfen und das Leservolk übt verbale Selbstjustiz.

Mitte Februar erschien im Wochenmagazin profil ein Interview mit oe24-Chef Niki Fellner. Gleich zu Beginn stellte der profil-Interviewer Clemens Neuhold fest:

„Nach einer Woche oe24 via Facebook habe ich Angst vor Flüchtlingen, dem Dritten Weltkrieg und davor, was passiert, wenn mein Penis abknickt. Ist das Journalismus?“

In diesem Interview wird schnell klar, dass es oe24 überhaupt nicht darum geht, gehaltvolle Informationen an die Leserschaft zu verbreiten. Es wird gebracht, „was zieht“, so Fellner. Passend dazu seine Aussage: „Wenn auf Facebook die Story vom Nachbarn, der mit einer Kartoffel erschlagen wird, zieht, dann bringen wir sie natürlich.“ Gut zu wissen.

oe24 berichtet aber selten über Nachbarn, die von Kartoffeln erschlagen werden, sondern vorzugsweise über Flüchtlinge und Muslime. Geht es nach der Online-Zeitung könnte man glauben, dass wir von Horden aus dem Osten überrannt werden, die plündernd und vergewaltigend durch die Straßen Österreichs ziehen.

Neuhold stellt außerdem fest, „Qualitativ betrachtet erzeugen Sie mit den ausgewählten Storys Stimmung gegen Minderheiten, zum Beispiel gegen Muslime.“ Dazu meint Fellner, er „verwehre“ sich dagegen, dass „Stimmung gegen Minderheiten gemacht wird.“ Was soll er anderes sagen? Schließlich bringt man ja nur Dinge, die ziehen und will auf gar keinen Fall Stimmung gegen irgendwen oder irgendetwas machen.

Anhand des oben genannten Beispiels lässt sich allerdings gut erkennen, dass die Aussagen des oe24-Chefs völlig substanzlos sind. Und man sollte auf keinen Fall müde werden es zu wiederholen und zu betonen.

Hannah Arendt hat einmal gesagt, „Gewalt beginnt, wo das Reden aufhört.“ Der Boulevard – heute, Österreich und Krone – , sie alle tragen Mitschuld an der Verrohung dieser Gesellschaft. Gut gemachte, schlechte Zeitungen, die für Auflage oder Reichweite über Leichen gehen und Dinge bringen, die einfach „ziehen“.

Titelbild: Unsere Zeitung

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