Der seit knapp 17 Jahren andauernde Rechtsstreit um den barrierefreien Zugang zum eigenen Haus einer Tiroler Familie beschäftigte nun auch die Vereinten Nationen (UN). Diese sehen im behördlichen Verhalten Diskriminierung und kritisieren Österreichs nachlässigen Umgang mit den Rechten von Menschen mit Behinderung.
Von Hannah Wahl
Großer Erfolg für für Familie Bacher: Der Individualbeschwerde vor der UN wurde stattgegeben, da dem 28-jährigen Simon Bacher sein Recht verweigert wurde. Eine Handlungsanweisung der Vereinten Nationen an den Staat Österreich ist die Folge: An die Familie soll Schadensersatz gezahlt und die Kosten, die durch zahlreichen Gerichtsverhandlungen entstanden sind, erstattet werden.
Barrieren lauern überall
„Nach der jahrelangen Diskriminierung fühlen wir uns allein gelassen. Es war schwer zu glauben und zu akzeptieren, dass die Rechte unseres Sohnes ignoriert wurden“, erzählt Simon Bachers Mutter, Sue Bacher. Kaum zu glauben, doch es geht tatsächlich um den barrierefreien Zugang zum eigenen Haus. Simon Bacher hat Trisomie 21 und ist daher physisch eingeschränkt. Der steile Weg ist vor allem im Winter schwer für ihn zu bewältigen – eine Überdachung schien die Lösung zu sein. Zur Erleichterung der Familie wurde das Bauvorhaben auch vom Land Tirol finanziell unterstützt.
Von Gericht zu Gericht
Der Nachbar, der beschränkte Nutzungsrechte innehatte, störte sich jedoch an der Überdachung, die durch Pfähle den Weg verschmälerte. Als notwendige Sanierungsarbeiten vorgenommen werden sollten, argumentierte der gleiche Nachbar vor Gericht, er würde diesen Zugang zu seinem Grundstück nicht nutzen und sich daher nicht an den Kosten beteiligen. In beiden Fällen erhielt er Recht und auch die Überdachung musste in Folge dessen abgetragen werden. Aus Solidarität protestierten am geplanten Tag des Abrisses im Jahr 2003 Menschen mit Behinderung und blockierten die Arbeiten vor Ort. Monate später wurde die Abwesenheit der Bachers genutzt, um die Überdachung unangekündigt zu entfernen.
Es geht nicht um Baurechte, sondern um Menschenrechte
Geradezu bizarr mutet der Vorschlag des Vomper Bürgermeisters an, man solle Simon Bacher in einem Heim unterbringen. Zudem widerspricht der „Lösungsvorschlag“, Menschen mit Behinderung zu institutionalisieren, statt Barrieren abzubauen, der UN-Behindertenrechtskonvention.
Wie wichtig sind Österreich Menschenrechte?
Trotz der erfolgreichen Klage und dem Verzug des Nachbars, ist immer noch keine Lösung in Sicht. Über die Tatsache, dass der Staat der Handlungsanweisung nicht nachkommen muss, zeigt sich Familie Bacher „nach all den Jahren des Wartens auf Gerechtigkeit“ bestürzt. Obwohl sich Österreich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) verpflichtete, werden konkrete Maßnahmen, wie der Abbau von Barrieren, oft umgangen. In diesem Fall versuchte Österreich im Verfahren zu argumentieren, der Sachverhalt habe sich vor dem Inkrafttreten der UN-BRK abgespielt.
Der Nachbar hat sein Grundstück mittlerweile verkauft, der neue Eigentümer bietet nun einen Tiefgaragenstellplatz zum Kauf an. Mit einem Lift könnte Simon Bacher so bis auf die Höhe des Hauses fahren. Würde man zusätzlich den Weg begradigen, wäre eine barrierefreie Lösung gefunden. Auch die Wegüberdachung wäre scheinbar kein Problem mehr. Doch nach 17 Jahren voller Anwaltskosten und Gerichtsverfahren ist Familie Bacher auch finanziell erschöpft und kann sich 30.000 Euro für einen Parkplatz oder die erneute Wegüberdachung einfach nicht mehr leisten.
Titelbild: Flagge der Vereinten Nationen (de.wikipedia.org; gemeinfrei)
Das ist ein Skandal! Ich hoffe dieser Bürgermeister ist nicht mehr im Amt und hat sich bei der Familie für diese Aussage entschuldigt!!
Wie kann man die Familie unterstützen? Gibt es ein Crowdfunding?
Hallo Tobias!
momentan kannst du der Familie am besten helfen, wenn du ihre Geschichte weiterschickst und sie mit FreundInnen und Bekannten teilst. Wir bleiben auf jeden Fall an dran und informieren über Neuigkeiten.
Liebe Grüße,
Hannah