Unsere Demokratie ist in großer Gefahr – die Sprache der Rechtsextremen

Vielleicht werden wir uns in einigen Jahren wieder die Frage stellen: ”Wie konnte das alles nur passieren?” Dabei lag die Antwort direkt vor unserer Nase. Natürlich kann man jetzt sagen, dass vielleicht überdramatisiert wird und sich die Geschichte nicht wiederholen kann. Wirklich?

Ein Kommentar von Stefan Kastél

Während meines Linguistik-Studiums entdeckte ich ein bemerkenswertes Buch, das noch heute bei mir zu Hause steht. Utz Maas’ – “Als der Geist der Gemeinschaft eine Sprache fand”. In diesem Buch wird klar dargelegt, wie der Nationalsozialismus die Sprache für sich verwendete, um den politischen Diskurs in der Gesellschaft immer weiter nach rechts zu verschieben.

Es gibt einen Grund, warum die gesamte FPÖ-Riege, Herbert Kickl als “besten Innenminister aller Zeiten” hervorhebt. Es gibt einen Grund, warum Rechtsextreme bestimmte Wörter und Phrasen benutzen. Nicht etwa, weil es sich dabei um rhetorische Missgeschicke oder zufällige Wortspiele handelt, sondern weil das Undenkbare und Unsagbare zur Normalität gemacht werden soll.  

Kickl ist also kein guter, kein konstruktiver, kein produktiver, sondern der beste Innenminister überhaupt. Warum eigentlich? Weil Rechtsextreme seit jeher den Superlativ für ihre Zwecke benutzen. Und je größer die Kritik aus der Zivilbevölkerung oder den Medien, aber auch der politischen Gegner ist, desto eindeutiger muss die Überhöhung der kritisierten Person sein.

Herbert Kickl hätte im Jänner dieses Jahres sagen können, dass er Flüchtlinge unterbringen, versorgen, einquartieren oder beherbergen möchte. Das hat er aber nicht gesagt. Er wollte Flüchtlinge “konzentriert” an einem Ort wissen. Viele Medien haben prompt reagiert, kritisiert und sind wieder in die Falle der FPÖ getappt. Wir reden hier von einem demagogischen Plan. Einem Plan, der schon seit Jahren minutiös ausgeführt wird und an einem Punkt angelangt ist, der das Zusammenleben in unserer Gesellschaft massiv bedroht.   

Es müssen nach und nach Wörter benutzt werden, die das Mitgefühl der Menschen zerstören. Invasion, feindliche Landnahme, Flüchtlingswelle, Ansturm. Es geht demnach entweder um Kriegs-Rhetorik oder Naturkatastrophen. Nur so funktioniert Entmenschlichung. Werden keine harten Wörter benutzt, kann man den Hass in der Bevölkerung nicht kultivieren.

Ein Blick nach Amerika

Donald Trump wiederholte im Wahlkampf 2016 immer wieder einen Satz. “Ich umgebe mich mit den besten Leuten. Ich kenne die besten Leute.” Vier dieser besten Leute, müssen sich derzeit vor Gericht verantworten. Sein Ex-Kampagnenchef Paul Manfort, wurde bereits verurteilt.

Viele Menschen sind momentan auf der Suche nach einem besseren Leben und versuchen über die Grenze der USA zu gelangen. Wie bezeichnet Trump diese Menschen? Als Invasoren. Und anhand folgender Aussage des Präsidenten, welche auf die Frage eines jüdischen Journalisten zum Thema “Angriffe auf jüdische Menschen / Synagogen” folgte, lässt sich gut darstellen, dass Superlative auch in eine andere Richtung gehen können: ”I am the least anti-Semitic person you´ve ever seen”. 

Als im September ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn eingeleitet wurde, ließ Viktor Orban das Europäische Parlament wissen, dass dadurch die “Ehre der Ungarn verletzt” werden würde. Es sollte der Eindruck entstehen, dass das gesamte ungarische Volk in seiner Ehre verletzt werde. Und auch Orban sieht Flüchtlinge als “muslimische Invasoren.”

Und wieder ist es kein Zufall, dass Orbans Regierung und die FPÖ einen gemeinsamen Feind haben. George Soros. Ein Mensch jüdischen Glaubens, der als Strippenzieher hinter der aktuellen Migration stehen soll. Natürlich handelt es sich dabei nur um “stichhaltige Gerüchte”. Eine besonders perfide Wortkreation aber trotzdem dienlich, um eine kleine, jüdische Weltverschwörung zu kreieren.

In Deutschland die AfD, in Brasilien der neugewählte Präsident mit Diktatur-Phantasien oder in Polen die PiS-Partei. Das sprachliche Muster ist überall das Gleiche und hat nur ein Ziel vor Augen: Zerstörung. Zerstörung von Empathie, Solidarität, Menschlichkeit und Moral.  

Goebbels hat nicht grundlos vom “totalen Krieg” gesprochen. Immer wieder ging es um die schwerste Belastung, die größte Herausforderung, “ungeheuerliche”, “unermessliche” oder “gigantische” Dinge. Die Rhetorik der Nazis und heutiger rechtsextremer Parteien, ist in Stil und Ausdruck eine Mischung aus religiöser Veranstaltung und Okkultismus. Damals gab es ein Ziel. Juden und politische Gegner, mussten erst durch Sprache entmenschlicht werden, um alle nachfolgenden Gräueltaten zu realisieren. Es war ein Prozess und fand nicht von heute auf morgen statt. Diesen Aspekt dürfen wir nicht vergessen.  

Oder wie es Victor Klemperer in seinem Buch “Die Sprache des Dritten Reichs” erläutert:

„Ich war noch nicht ein bißchen abgestumpft, ich war noch so ganz gewohnt, in einem Rechtsstaat zu leben, daß ich damals vieles für die tiefste Hölle hielt, was ich später höchstens für ihren Vorhof, für den Danteschen Limbo nahm. Immerhin: soviel schlimmer es auch kommen sollte, alles, was sich noch später an Gesinnung, an Tat und Sprache des Nazismus hinzufand, das zeichnet sich in seinen Ansätzen schon in diesen ersten Monaten ab.“

 

Erwähnt:

Utz Maas: Als der Geist der Gemeinschaft eine Sprache fand,Westdeutscher Verlag, 1985.

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