Mit Halbwahrheiten, Schwarzweiß-Malerei und Fake-News trumpft der Boulevard politisch immer wieder auf. Aber auch im Chronik-Teil mangelt es nicht an entsprechenden Tendenzen, wie u.a. ein jüngstes Beispiel aus der „Krone“ zeigt.
Von Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur
Basis für eine Kurzmeldung in seriösen Tageszeitungen war am Freitag eine schlichte Polizeiaussendung. Demnach sei in Baden ein 15-jähriges Mädchen von ihrem 25-jährigen Freund mehrere Wochen in dessen Wohnung festgehalten worden. Gegen den Mann werde laut Polizei „unter anderem wegen Freiheitsentzugs ermittelt“.
Was machte nun die „Krone“ in ihrer Samstagausgabe daraus? Zunächst einmal einen „Aufmacher“ über eine „Horrortat in Baden“. Gleich drei Chronik-Reporter verfertigten einen aufgeblasenen Bericht mit allen boulevardesken Ingredienzien von Klischees, Übertreibungen und spekulativen Vermutungen.
Der Verdächtige habe die 15-Jährige „vermutlich gefügig, ja hörig, gemacht. Doch als sie genug von den Sexspielen hatte, drehte er durch.“
Selbstverständlich durfte in dem Bericht die rumänische Herkunft des „Brutalo“ (so der Ausdruck in der Printausgabe) nicht fehlen. So sind sie halt, die Ausländer, lautet da wieder einmal die indirekte Botschaft. Im Krone-Bericht heißt es weiter: „Der 25-Jährige sperrte den Teenager einen Monat lang in ein Haus – und dürfte sein hilfloses Opfer während dieser Zeit mehrmals missbraucht haben“.
Peinlich für das Massenblatt, dass sich die ganze so genüsslich aufbereitete Story mittlerweile als Fake herausgestellt hat. Das Mädchen war von zu Hause ausgerissen und hatte sich in der Wohnung des Freundes versteckt. Freiwillig, wie die Polizei mitteilt. Von Freiheitsentzug könne keine Rede mehr sein. Einen sexuellen Missbrauch hat es offenbar auch nicht gegeben.
Eine Entschuldigung des Boulevard-Blatts für den spekulativ ausgewalzten Bericht liegt bis dato nicht vor. Online hat es nach der Wendung des Falls über Ermittlungen gegen das Mädchen wegen Verleumdung berichtet. In der Printausgabe jedoch war die Suche nach einem Dementi der Falschmeldung vergeblich.
Der Boulevard leistet mit einer Causa wie dieser dem Ruf des Journalismus insgesamt einen denkbar schlechten Dienst. Seriöse und investigative Medien sind geforderter denn je.
Titelbild: Kronen Zeitung – Redaktionsgebäude in der Muthgasse im 19. Bezirk in Wien (Trainler; Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE)
Zu den reißerischen Artikeln über die 15-Jährige, die bloß „ausgerissen“ ist und freiwillig bei ihrem Freund geblieben war, sagen Sie – ziemlich zahnlos – : Eine Entschuldigung des Boulevard-Blatts für den spekulativ ausgewalzten Bericht liegt bis dato nicht vor.
Damit derlei Unfug nicht weiterwächst, wäre ein dringender Aufruf nötig, dass solche Artikel in großer Aufmachung widerrufen werden müssten. Es sollen die Journalisten ja eine Lehre daraus ziehen, wenn sie unverantwortlich handeln und ihre Schlagzeilen um jeden Preis aufblähen. Das erhaltene Geld für Artikel mit argen Übertreibungen müssten sie zurückzahlen und öffentlich bekennen, dass sie fantasiert haben…!
MfG.,
Mag.a K. Gaida, Wien