Bei aller Ablehnung des Islam, zumindest des sog. „politischen“, gibt es zwischen den freiheitlichen und den oft angefeindeten muslimischen Mitbürgern eine beachtliche Schnittmenge, und die besteht in der Vorstellung der idealen Familie samt der passenden Stellung der Frau darin.
Eine Analyse von Herbert Auinger
Teil 2: Fanatiker der staatlichen „Keimzelle“ …
So wie der türkische Präsident Erdogan darauf besteht bzw. beansprucht, dass es sich bei jeder Familie türkischer Migranten naturgemäß um eine kleine Türken-Zuchtanstalt und insofern um einen kleine Keimzelle der Türkei im Ausland handelt –
„‘Habt fünf Kinder, nicht drei. Ihr seid Europas Zukunft.’ Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Türken in Europa aufgerufen, mehr Kinder zu bekommen. ‘Schickt eure Kinder auf die besten Schulen, lebt mit euren Familien in den besten Vierteln, fahrt die besten Autos, lebt in den besten Häusern’, sagte Erdogan bei einem Wahlkampfauftritt im westtürkischen Eskisehir. Dies sei die ‘beste Antwort’ auf die ‘Unhöflichkeit’ und ‘Feindschaft’, die ihnen entgegengebracht werde.“ (Spiegel online 17.3.17 Gemeint war die europäische Kritik an der türkischen Abstimmung über die Verfassungsreform, Anm. H.A.)
– genauso besteht die FPÖ darauf, dass die österreichische Familie den Nachwuchs nicht einfach großzieht und in die hiesige Gesellschaft einführt, sondern ihm dabei ganz selbstverständlich eine ziemlich unverwüstliche, beliebig strapazierbare nationale Einstellung verpasst, ihn durch ihre Erziehung zuverlässig österreichisch-nationalistisch indoktriniert, also zu bedingungslosen Patrioten heranbildet. So, wie der Kollege Erdogan das bei sich daheim und ebenso von türkischen Migranten verlangt. Wieder verleiht die FPÖ ihrem Haupt- und Grunddogma Ausdruck, dass von Freiheit einfach nicht die Rede sein kann und darf, weil die Stellung zum Staat wieder mal das Resultat einer „Determiniertheit“ sein soll, in der sich die freiheitliche Biologie und die nationale Kultur vortrefflich ergänzen: Wer – meist wohl von den Eltern – eine Sprache lernt, der beherrscht nicht diese und kann sich ordentlich ausdrücken und verständigen, sondern die Sprache beherrscht umgekehrt ihn, sie legt ihn fest, determiniert ihn zum zwangsläufigen Mitmacher einer nationalen „Gemeinschaft“. Das schlichte Lernen der Sprache soll den Kindern einen überwältigenden Stempel (im einschlägigen Jargon: eine „Prägung“) verpassen und sie zuverlässig und allzeit bereit der Nation „zuordnen“; deswegen ist in diesem Fall das „Durchpeitschen“ dieser Prägung auf allen Ebenen der Erziehung im „Top-Down-Prinzip“ das einzig Senkrechte:
„Die Muttersprache ist das Ergebnis einer biographischen und familiären Prägung. Sie ist daher die Sprache, in der man denkt, fühlt und träumt. Die jeweilige Muttersprache ist daher als Trägerin des kulturellen Ausdrucks das bestimmende Kriterium der Zuordnung zu einer größeren Kulturgemeinschaft. … Deshalb muss in allen Bildungseinrichtungen, beginnend im Elternhaus über den Kindergarten und die Schulen bis hin zu den Universitäten, der Bewahrung und Förderung der deutschen Sprache eine herausragende Rolle eingeräumt werden.“ (Handbuch S. 259)
Dieser Standpunkt ist bekanntlich keineswegs ein freiheitliches Alleinstellungsmerkmal. Das ist der letzte, höhere Sinn der parteiübergreifenden Forderung nach dem Erwerb von Sprachkenntnissen als wesentliches Kriterium von „Integration“. Und mit dem völkisch geschärften Blick fallen der FPÖ an etlichen Familien mit „Migrationshintergrund“ sofort gewaltige Defizite auf. Von daher muss die FPÖ auf einem Frauenbild bestehen, das die „biologische Determiniertheit“ diesmal etwas zurückstellt, nämlich darauf, dass
„in Österreich Frauen und Männer gleiche Rechte haben. Das freiheitliche Verständnis von Gleichberechtigung umfasst gleiche Pflichten, gleiche Rechte und vor allem Gleichwertigkeit. Zwangsehen, Zwangsbeschneidungen und die Unterdrückung von sowie Gewalt gegen Frauen sind in unserem Rechtsstaat keineswegs durch Religionsfreiheit gedeckt.“ (ebd. S. 50f.)
… werden darüber spinnefeind!
Da entdeckt man durchaus Zwang und Unterdrückung im Verhältnis von patriarchalisch agierenden ganzen Kerlen und untergeordneten Frauen, so als hätte die Partei von Simone de Beauvoir abgeschrieben – völlig ohne diese eher traditionelle Variante von Familie als Ergebnis der freiheitlich geforderten weiblichen „Wahlfreiheit“ zwischen Beruf und Kindern zu würdigen, und als Ergebnis der Biologie „anzuerkennen“. Die freiheitliche Vorstellung von „Gleichwertigkeit“ kann viele Unterschiede als gleichwertig bewerten, aber die in manchen Familien verbreiteten eher nicht:
„Zudem ist evident, dass Mädchen aus dem islamischen Kulturkreis nach Abschluss ihrer Pflichtschulausbildung in überdurchschnittlich vielen Fällen keine weiterführende Ausbildung erhalten und damit offenbar dauerhaft dem Arbeitsmarkt entzogen werden. Dadurch wird die weitere Zukunft der Betroffenen in den Schoß ihrer Familien gelegt, eine eigenverantwortliche Entwicklung wird erschwert, islamische Familienbilder werden zementiert. Diese Entwicklung ist durch eine gesonderte Beratung der betroffenen Mädchen und allenfalls durch das Eingreifen der Jugendwohlfahrt zu verhindern.“ (ebd. S. 139)
Wenn es gegen Muslime geht, schafft die Partei den solidarischen Schulterschluss mit dem verhassten „Gender Mainstreaming“ und dessen zentraler Botschaft: Diese „Geschlechteridentität“ ist keine biologische Tatsache, sondern das Ergebnis eines aufgezwungenen Lernprogramms. In dem Fall hat der Staat ordentlich durchzugreifen, um den betreffenden Familien ein anderes „Lernprogramm“ aufzuzwingen, nämlich die Orientierung auf die Berufstätigkeit – derselbe Staat, der bei Einheimischen natürlich die Vorstellungen der Eltern bezüglich Kindererziehung zu respektieren hat. Sogar den Terminus „Gewalt gegen Frauen“ kennt die FPÖ, aber nur in Zusammenhang mit dem Islam; auch die schon ältere sozialstaatliche Innovation des Frauenhauses, in dem Frauen vor prügelnden Ehemännern und Lebensgefährten ein Unterkommen finden, die wird im sehr detaillierten „Freiheitlichen Handbuch für Führungsfunktionäre und Mandatsträger“ nicht gewürdigt, während das Recht auf „Wegweisung“ des Schlägers aus dem gemeinsamen Haushalt in seiner ganzen Problematik beleuchtet wird:
„Die Wegweisung ist ein zu befürwortendes Mittel, um akute Konflikt- und Gewaltsituationen rasch zu beenden. Es stellt damit eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen Gewalt in der Familie dar. Leider wird diese Möglichkeit jedoch von Frauen in extremen Gewaltbeziehungen zu wenig genutzt. Auf der anderen Seite lädt die Wegweisung auch zu Missbrauch ein, der mittlerweile nicht negiert werden kann. Daher treten wir für einen zeitlichen Rückbau des missbrauchsanfälligen Wegweisungsrechts ein. … Die Wegweisung wirkt als Präjudiz bei Folgeverfahren auf Scheidung, Obsorge und Besuchsrecht.“ (ebd. S. 159)
Die Wegweisung – ganz, ganz wichtig im Kampf gegen Gewalt in der Familie, eigentlich! Leider zu wenig genutzt von den Frauen in „extremen Gewaltbeziehungen“, die dieses Recht brauchen (also den „fremden“?); und weidlich ausgenutzt von anderen Frauen (von den „eigenen“?), die es missbrauchen, weil sie sich – doch bloß scheiden lassen wollen! Der Scheidungswunsch kann nicht mit Gewalterfahrungen zusammenhängen? Wie dem auch sei, es kann sich dabei wieder mal nur um einen Angriff auf die „Keimzelle“ handeln:
„Frauenhäuser seien ein ‘Unfug der abgestellt gehört’ … Kashofer ortet eine Benachteiligung der Männer und eine Instrumentalisierung derartiger Einrichtungen. … Sie verlange daher einen Mediator, ‘der sich mit der Familie zusammensetzt und verhindert, dass hinter dem Rücken des Vaters die Familie ins Frauenhaus gebracht wird.’ … ‘Mittlerweile sind Frauenhäuser an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt’.“ (Kurier 18.7.2012)
Die von Frau Kashofer entdeckte „nachhaltige Zerstörung der Ehe“ ist einfach zu haben. Bloß dadurch, dass eine geprügelte Frau eine Alternative zum Aushalten im „gemeinsamen“ Haushalt hat, also in dem Fall tatsächlich diese mickrige „Wahlfreiheit“ bekommt, und sich in einer Notsituation gerade noch verabschieden kann – das zerstört die Ehe nach freiheitlichem Bild, die offenbar auf stillem Dulden und unerschütterlichem Standhalten von Frauen beruht.
Woanders existieren solche überkandidelten Auswüchse des „Gender-Wahnsinns“ jedenfalls nicht – könnte sich der verwöhnte Mitteleuropäer da nicht einiges abschauen? Positive Vorbilder gewinnen angesichts so vieler gesunder, belastbarer, sendungsbewusster, kraftstrotzender und lebenstüchtiger Persönlichkeiten? Ein freiheitlicher Beobachter erinnert sich einleitend an eine angebliche Pflicht zur „Kritik“ gewisser Lebensarten, um solcherart abgesichert anschließend seiner Bewunderung für deren „Lebenstüchtigkeit“ und vor allem „Zukunftsfähigkeit“ freien Lauf zu lassen:
„In jenen Staaten, aus denen die selbsternannten Eroberer des Abendlandes kommen, vor allem radikalislamisch bis islamistisch geprägten Gesellschaften, herrschen im wahrsten Sinne andere Gesetze. Diese kann man kritisieren und viele von ihnen muß ein bekennender Demokrat kritisieren. Aber die solcherart sozialisierten Menschen sind uns in maßgeblichen Facetten ihrer Lebenstüchtigkeit, speziell im Hinblick auf sich abzeichnende Konkurrenzsituationen, um Welten überlegen. Ob straffe Glaubensausrichtung oder Kinderreichtum, Zugehörigkeits- oder Sendungsbewußtsein, es sind dort bedeutende Parameter der Zukunftsfähigkeit im Alltagsleben präsent, die hierzulande als ‘altvaterisch, mutterkreuzlerisch’ oder schlicht überflüssig verfemt werden. … Und auch deshalb ist der konfliktscheue, verwöhnte, überalternde, chronisch von tausenden Reizen überflutete und abgelenkte Mitteleuropäer auf bestem Wege zu einer bedrohten Spezies zu werden.“ (Freies Österreich S. 19 f.)
Kompliment an diese Primitiven! Die haben es drauf! Bei denen sind sie endlich anzutreffen, die Exemplare eines wirklich gelungenen Volkstums, ohne von des Gedankens Blässe oder dem Bedürfnis nach „Selbstverwirklichung“ übermäßig angekränkelt zu sein:
Sie sind ihrer Religion verfallen, ohne Wenn und Aber; da wird „straff“ und schnörkellos geglaubt, statt die sogenannten „Sinnangebote“ der christlichen Volkskirchen zu problematisieren, ob die denn auch dem Zeitgeist und eigenen Bedürfnissen nach weiblicher Gleichberechtigung entsprächen. Da leistet die Religion das, worauf es ankommt: Sie spendet den unerschütterlichen Glauben an die eigene nationale moralische Überlegenheit!
Sie werfen wie die sprichwörtlichen Karnickel, die neuerdings im erzkatholischen Polen der Bevölkerung regierungsamtlich als Vorbild anempfohlen werden – weil das nationale Kollektiv Nachwuchs braucht, und das sogar ohne ein „Mutterkreuz“, das einem Freiheitlichen im Zusammenhang mit der „Zukunftsfähigkeit“ natürlich sofort in den Sinn kommt!
Sie wissen, wo sie national hingehören, weil es allein auf diese Zugehörigkeit wirklich ankommt – nur das Wissen um das eigene Volkstum liefert den Halt, und den jeder braucht, der in den Stürmen der Geschichte bestehen will!
Sie sind „sendungsbewusst“, sie wissen also, dass das Leben der Völker ein Kampf ist, weil das nun einmal so ist, und sie sind erfüllt vom unbändigen Siegeswillen, mit dem sie bald über die „ansässige Bevölkerung herfallen“ werden, die sie ohnehin schon durch die höhere Wurfquote vertreiben.
Die wahren Qualitäten der Völker, auf die es wirklich ankommt, die sind in diesem Bild übrigens völlig gleichförmig, geradezu uniform, ziemlich gleichmacherisch, stereotyp und gleichgültig gegen jede bestimmte „Kultur“ – die oben charakterisierte Tauglichkeit des Volkskörpers für den ewigen Kampf ums Dasein ist das relevante Kriterium, und damit das letztgültige Kulturgut!
Herbert Auinger, geboren 1954 in Gmunden/Oberösterreich, studierte Raumplanung an der Technischen Universität Wien sowie Politikwissenschaften am Institut für Höhere Studien. Er ist als Print- und Hörfunkjournalist tätig. Im Promedia Verlag erschien von ihm im Jahr 2000 „Haider. Nachrede auf einen bürgerlichen Politiker“ und im Jahr 2017 „Die FPÖ – Blaupause der Neuen Rechten in Europa“.
Titelbild: Collage (Erdogan: pixabay.com; public domain; Strache: commons.wikimedia.org; public domain)