UN-Urteil: Klimawandel wird anerkannter Flucht- und Asylgrund

Bild: Fischerboote am Nil

Klimaflüchtlinge anerkannt: Erstmals erklärte der UN-Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, dass man niemand ausweisen darf, der aufgrund von Klimawandelfolgen aus seiner Heimat flüchtet und um Asyl ansucht.

Von R. Manoutschehri

Erstmals erklärte der UN-Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen (das UN Human Rights Committee), dass Länder keine Personen ausweisen dürfen, die aufgrund von Auswirkungen des Klimawandels aus ihrer Heimat flüchten und im Ausland um Asyl ansuchen.

Der Ausschuss gelangte zu dem Schluss, dass durch den Klimawandel verursachte Schäden sowohl durch plötzliche Ereignisse (wie starke Stürme und Überschwemmungen) als auch durch langsame Prozesse (wie Anstieg des Meeresspiegels, Versalzung und Landverschlechterung) verursacht werden können und sowohl plötzliche Ereignisse als auch langsame Prozesse Menschen dazu veranlassen können, Grenzen zu überschreiten, um Schutz vor Schäden im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu suchen.

Wer deshalb einen Asylstatus beantragt, für den entfällt darüberhinaus auch die Pflicht, einen Nachweis zu erbringen, dass er/sie in seinem Land unmittelbar geschädigt oder bedroht wäre.

Der Menschenrechtsausschuss (MRR) stellte fest, dass die Auswirkungen des Klimawandels eine „Nichtzurückweisungsverpflichtung der Empfangsstaaten auslösen können“ – etwa angesichts der Gefahr, dass ein ganzes Land unter Wasser gerät. Die Lebensbedingungen in einem solchen Land können mit dem Recht auf ein Leben in Würde unvereinbar werden, sogar bevor das Risiko erkannt wird.

Die internationale Gemeinschaft und die 172 Staaten, welche den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ mitunterzeichnet haben, müssen bei der Unterstützung der vom Klimawandel betroffenen Länder eine verantwortungsbewusste Rolle spielen.

Anlassfall: Kiribatis versinkende Inseln

Hintergrund dieses Beschlusses war die an den MRR verwiesene Beschwerde-Klage von Ioane Teitiota und seiner Familie aus dem von steigendem Meeresspiegel bedrohten Inselstaat Kiribati, dessen Asylantrag 2015 in Neuseeland abgelehnt wurde. Herr Teitiota argumentierte, dass die Auswirkungen des Klimawandels Kiribati für alle seine Bewohner unbewohnbar gemacht hätten, woraufhin es zu gewaltsamen Landstreitigkeiten kam, weil das bewohnbare Land immer knapper wurde und die Süßwasserversorgung mit Salzwasser verseucht wurde.

Der Ausschuss stellte zwar fest, dass die neuseeländischen Gerichte in diesem speziellen Fall richtig entschieden hätten, da in Kiribati ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen werden. „Dennoch“, sagte Komitee-Experte Yuval Shany, „setzt dieses Urteil neue Maßstäbe, die den Erfolg künftiger Asylanträge im Zusammenhang mit dem Klimawandel erleichtern könnten.“ Dieses Urteil markiere die erste Entscheidung eines Menschenrechtsgremiums der Vereinten Nationen, dass Asyl-Ansuchen vor den Auswirkungen des Klimawandels prinzipiell gerechtfertigt sind.

2 Milliarden Klima-Flüchtinge ohne Kurswechsel in der Klimapolitik

Klimawandelfolgen gelten heute weltweit als zu den häufigsten Fluchtursachen zählend und sind oftmals zumindest mitverantwortlich an Armut, Hunger und kriegerischen Konflikten. Jedes Jahr fliehen fast doppelt so viele Menschen vor Umweltkatastrophen wie vor Krieg. Denn es sind nicht nur die direkten Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Überflutungen und unfruchtbarer Boden, die viele Menschen zu Abwanderung und Migration zwingen.

Durch Desertifikation gehen jährlich 120.000 Quadratkilometer fruchtbaren Bodens verloren. Dem steigenden Meeresspiegel in Kombination mit verheerenden Sturmfluten fielen erst jüngst die ersten Gebiete zum Opfer. Und als wäre dies nicht schrecklich genug, wird dort, wo lebenswichtige Ressourcen knapp werden, nutzbares Land oftmals auch noch in großem Stil von Konzernen aufgekauft und der Allgemeinnutzung entzogen. So wird der Klimawandel oftmals zum Vorläufer für soziale Konflikte und wenn Wasser und fruchtbares Land immer knapper werden, eskalieren diese häufig zu kriegerischen Konflikten.

2015 mussten deshalb rund 20 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, bis zum Jahr 2050 könnten es bereits 200 Millionen Menschen werden. Werden die Pariser Klimaziele von der Weltgemeinschaft verfehlt, wird sich bis zum Ende des Jahrhunderts bereits rund ein Viertel der gesamten Menschheit auf der Suche nach einer neuen, noch bewohnbaren Heimat befinden, so die Prognosen. Eine Kategorisierung als „Umwelt-Flüchtling“ gab es bislang aber nicht einmal in der Genfer Flüchtlingskonvention. Wenigstes dies könnte sich nun ändern.

 

Zum Nachlesen aus der UZ 2017: Flucht vor Klimawandel und Land Grabbing als Asyl-Grund

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