von Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur
Für westliche Medien, die Russland und Putin als Feindbild verinnerlicht haben, ist die Antwort klar: Der russische Despot steht hinter dem Mord. Er hat den Auftragsmord angeordnet.
Andere Motive für dieses widerwärtige Attentat werden entweder ausgeblendet oder als russische Propaganda abgetan. Ganz im Stil von Schwarzweißmalerei leider auch heimischer Qualitätsmedien. Jüngst auffällig vor allem so manche „Analysen“ in ZIB-Sendungen. Es können einfach nur Hintermänner Putins gewesen sein, die den Kremlkritiker ausgeschaltet haben. Ein Bild, das beharrlich vermittelt wird.
Stellt man jedoch die Frage „Cui Bono?“, stellt sich die Causa etwas anders dar. Kann es Putin tatsächlich nützen, indirekt des Mordes an einem Oppositionellen geziehen zu werden und damit Regimegegnern neuen Auftrieb zu verleihen? Kaum, sind Russlandexperten überzeugt. Es sind daher auch andere Hintergründe der Ermordung Nemcovs ernstzunehmen.
Wohltuend differenziert der renommierte Politikwissenschafter Prof. Gerhard Mangott:
„Im Gegensatz zu vielen Kollegen, weiß ich nicht, wer Boris Nemcov ermordet hat. Möglich sind nur Spekulationen und dass es eben nur solche sind, sollte betont werden.
Ich glaube eher nicht an einen Auftragsmord von Vladimir Putin. Putin scheute sich davor, – den mehrfach verurteilten, aber immer wieder zur Bewährung freigelassenen – Navalnyj zu inhaftieren, um ihm keinen Märtyrerstatus zu geben und damit der Opposition einen Mobilisierungsschub zu verleihen. Es würde mich sehr überraschen, wenn er genau das bei Nemcov getan hätte. Die oppositionellen Kräfte sind schwach – warum sie durch einen Mord stärken?
Die Andeutungen russischer Medien, die Oppositionellen selbst hätten Nemcov als “Opferlamm” getötet, sind absurd. Zwar könnte die Opposition durch den brutalen Mord einen kurzfristigen Mobilisierungsschub erfahren, der Verlust eines weiteren prominenten Gesichtes des Protestes wird der Opposition aber erheblich schaden. Das Fehlen von Führungsfiguren (Nemcov war es allerdings nur sehr bedingt) ist eine der strukturellen Schwächen der Opposition. Auch erschließt sich mir nicht, wer von der Opposition dazu fähig wäre.
Möglich wäre ein Mord durch radikale siloviki, die Putin zu einer noch autoritäreren und repressiveren Führung drängen wollen. Wir sahen 2006/07 ähnliche Destabilisierungsversuche – damals, um Putin zu einer dritten Amtszeit zu zwingen/drängen.
Möglich ist auch ein Mord durch rechtsnationalistische Kreise, die Nemcov wegen seiner Haltung in der Ukrainekrise ermordet haben könnten. Nemcov könnte radikalen Kräften, die selbst Putin einer zu weichen Linie im Ukrainekonflikt beschuldigen, im Weg gestanden sein. Hier ist die Führung indirekt mitverantwortlich zu machen, haben doch die staatlichen Medien und die Führung selbst, in diesem Zusammenhand immer wieder von “nationalen Verrätern” und einer “fünften Kolonne” gesprochen. Gerade deshalb wird die russländische Führung daran gemessen werden müssen, ob sie dieses Verbrechen aufklären kann und will .”
Zuerst erschienen auf www.medienkultur.at
Foto: Vladimir Putin with tranquillizer gun (CC BY 3.0 /)