„Wir werden keinesfalls kampflos aufgeben“

Resilienz_Innsbruck2In Innsbruck kam es im letzten halben Jahr zu verstärkten Protesten im Sozialbereich. Unsere Zeitung berichtete über den heißen Herbst in Tirol. Vor kurzem haben wir uns mit der Aktivistin Anna Schebach* getroffen und uns mit ihr über ihre Erfahrungen mit den Sozialprotesten, den Kampf um mehr Notschlafstellen für Obdachlose und über die Gründe für ihr Engagement unterhalten.

UZ: Hallo Anna, du hast die Proteste gegen die Einsparungen im Sozialbereich mitinitiiert und warst auch an den Protesten für mehr Notschlafstellenplätze in Innsbruck beteiligt. Wie kam es zu den Protesten und was steckt dahinter?

Anna: Zu Beginn waren wir einige Studierende der Sozialen Arbeit. Die Einsparungen hätten vor allem die Beratungsstellen für wohnungslose Menschen betroffen, außerdem wären wir selbst und andere SozialarbeiterInnen davon betroffen gewesen, da die Folge Personalabbau bei diversen Einrichtungen wie bspw. dem Dowas oder dem Verein für Obdachlose die Folge gewesen wäre.

Wir wollten uns damit nicht abfinden, denn als zukünftige SozialarbeiterInnen betrifft es uns natürlich morgen umso mehr, wenn heute die Arbeitsbedienungen verschlechtert werden. Wir organisierten die Demonstration im November um das Problem in die Öffentlichkeit zu rücken und Druck auf Stadt- und Landesregierung zu machen, die vom Bund gestrichenen Förderungen zu kompensieren.

Nach der Demonstration wollten wir weiter aktiv bleiben und haben die Gruppe Resilienz gegründet. Wir haben es uns zum Ziel gemacht Missstände im Sozialbereich in die Öffentlichkeit zu bringen.

UZ: Zurück zu den Protesten im November. Es gab die Demonstration, die mit Unterstützung vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) organisiert wurde. An der Demonstration beteiligten sich mehrere 100 Personen. Wie ging es danach weiter?

Anna: Ein bis zwei Wochen nach der Demo erklärten Stadt und Land die Förderungen zumindest für das Jahr 2015 zu übernehmen. Allerdings gibt es keinerlei Zusagen, dass die Förderungen über das Jahr 2015 hinaus bezahlt werden. Wir werden, sollte es den Versuch geben 2016 die ursprünglich für 2015 geplanten Einsparungen umzusetzen, jedenfalls mit Protest antworten und keinesfalls kampflos aufgeben.

UZ: Die Aktion im November war im Bündnis mit der Gewerkschaft organisiert. Wie waren eure Erfahrungen mit dem ÖGB?

Resilienz_Innsbruck3Anna: Es war kein Bündnis, sondern sie haben uns Unterstützung zugesagt. Zuerst haben wir gedacht, cool die bezahlen uns Flyer und helfen uns bei der Mobilisierung für dieses wichtige Anliegen. Tatsächlich war es dann aber so, dass es medial so aussah, als ob die Gewerkschaft das alleine organisiert hat.

Es gab Probleme bei der Kommunikation und die Gewerkschaft nutzte das aus. Sie wies in Presseaussendungen nicht darauf hin, dass das gemeinsam organisiert wurde und die Initiative dazu von uns ausging, sondern lies es so aussehen als hätten sie das alleine geschafft.

Wir ziehen daraus den Schluss zukünftig unabhängig von anderen Organisationen zu arbeiten und achten verstärkt darauf auch ein eigenes Budget zusammen zu bekommen um auch finanziell unabhängig zu bleiben.

UZ: Kommen wir zu den Problemen mit Notschlafstellen in Innsbruck. Wie sieht die Problematik aus bzw. was wäre notwendig zu verändern?

Resilienz_InnsbruckAnna: Im November letzten Jahres gab es einen ersten Todesfall. Ein Obdachloser verstarb an den Folgen der Obdachlosigkeit. Im Jänner kam uns dann zu Ohren, dass es in der Winternotschlafstelle des Roten Kreuzes zu täglichen Wartezeiten von bis zu 3 Stunden kommt und Menschen abgewiesen werden müssen, weil nicht genügend Schlafplätze zur Verfügung stehen.

Seit Jahren streiten Stadt und Land darüber, in wessen Verantwortung es liegt genügend Notschlafstellenplätze zu finanzieren. Das halten wir für eine Frechheit, da der finanzielle Aufwand vergleichsweise gering ist, wenn man die Prestigeprojekte von Stadt und Land gegenüberstellt. Momentan sieht es so aus, dass im Alexihaus und der Herberge beispielsweise nur übernachtet werden kann, wenn ein Bezug der Mindestsicherung gegeben ist. Viele Menschen, vor allem Rumänen und Bulgaren sind dadurch ausgeschlossen. Allerdings handelt es sich bei diesen beiden Einrichtungen eigentlich weniger um Notschlafstellen, als um eine Art von betreutem Wohnen.

Die Menschen, die im Alexihaus oder der Herberge untergebracht sind, sind eigentlich mit einer anderen Problematik konfrontiert. Da sie Mindestsicherung beziehen, wird ihre Miete vom Sozialamt bezahlt, dieses zahlt aber nur bis zu einer gewissen Summe. Die Folge ist, dass viele jahrelang in diesen Einrichtungen leben müssen, weil die Mieten in Innsbruck viel zu hoch sind und die Wartezeiten für eine Stadtwohnung sehr lang.

UZ: Wie sehen eure Lösungsansätze dafür aus? Was fordert ihr von Stadt und Land?

Anna: Zur Lösung der Problemsituation bei den Notschlafstellen fordern wir, einen Ausbau und eine ganzjährige Öffnung der Winternotschlafstelle des Roten Kreuzes, denn momentan sind sie nur in den Wintermonaten geöffnet. Wir schließen uns der Forderung der Vereine selbst nach 20 Betten mehr an und fordern darüber hinaus, dass weniger Menschen zusammen in einem Zimmer untergebracht werden und ihnen eine warme Mahlzeit täglich gestellt wird.

Im Zusammenhang mit den Problemen rund um das Alexihaus und der Herberge fordern wir, dass alle Zugangsbeschränkungen fallen müssen und es mehr leistbaren Wohnraum beziehungsweise einen Ausbau der Stadtwohnungen geben muss. Denn die Hauptproblematik ist eigentlich die Wohnungssituation in Innsbruck und Tirol.

UZ: Auch im Innsbrucker Stadtblatt wurde die Problematik der Notschlafstellen vor einigen Wochen zu Thema. In der Folge war immer wieder von einem Hetzartikel die Rede. Worum ging es in diesem Artikel?

Resilienz_Innsbruck1Anna: Der Artikel wurde eine Woche nach unserer Aktion im Jänner veröffentlicht. Die Grundaussage des Artikels war, dass „unsere Sandler“ nicht genügend Plätze hätten, weil sie ihnen von den Ausländern weggenommen würden. Explizit erwähnt wurden in diesem Zusammenhang Nordafrikaner und Rumänen.

Wir als Gruppe Resilienz verurteilen solche Hetzartikel, die nur zum Ziel haben zu spalten und falsche Meinungen zu schüren. Aus unserer Sicht muss die Mindestforderung sein, dass jeder einen Platz zum Schlafen bekommt, egal woher die Person kommt.

UZ: Wie sieht es zukünftig mit der Thematik Notschlafstellen aus?

Anna: Es wurden zwei weitere Artikel im Stadtblatt zur Thematik veröffentlicht, diesmal ohne rassistische Hetze. Mittlerweile hat Ernst Pechlaner (SPÖ) angekündigt noch in diesem Winter die notwendig Zahl an Notschlafstellen zu schaffen. (Anmerkung: Ernst  Pechlaner (SPÖ) ist derzeit Mitglied im Ausschuss für Rechts-, Gemeinde- und Raumordnungsangelegenheiten sowie seit 1999 Mitglied im Notstandsausschuss) Wenn jedoch nichts passiert werden wir auch weiterhin Aktionen zur Thematik machen und verstärkt mit den zuständigen Vereinen kooperieren. Es kann nicht sein, dass in einer Stadt wie Innsbruck, in der so viel Geld für Tourismus und Aufwertung der Innenstadt vorhanden ist, wohnungslose Menschen diskriminiert und ausgeschlossen und in weiterer Folge ignoriert werden.

* Name wurde von der Redaktion geändert

Das Interview führte Lukas Haslwandter
Fotos: Nepomuk Tiefenbrunner ; Christian Niederwolfsgruber (Niewo)

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