Die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 haben zu groben Verwerfungen am Arbeitsmarkt geführt, wobei sich Ungleichheit verschärfte. Frauen sind dabei besonders – aber in unterschiedlicher Weise – betroffen. Eine im Sommer durchgeführte Umfrage zeigt, wie sich die COVID-Krise auf Frauen auswirkt.
Von Vera Glassner und Simon Theurl (AW-Blog)
Einerseits sind frauendominierte Branchen, wie etwa Beherbergung und Gastronomie, Einzelhandel, Kunst/Freizeit, von der gegenwärtigen Krise besonders stark betroffen. Betrachtet man den Zuwachs der Arbeitslosen seit den Schließungen von Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen Mitte März, machten Frauen bis Juni 85 Prozent der „Corona-Arbeitslosen“ aus. Zudem gelingt Frauen der Wiedereinstieg nach einem Jobverlust schlechter als Männern, und die Arbeitslosenzahlen von Frauen gehen langsamer zurück. Dass sich Frauen vermehrt vom Arbeitsmarkt zurückziehen, gibt Anlass zur Sorge: Die Zahl der nicht aktiv Arbeitssuchenden, die innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Tätigkeit aufnehmen könnten, ist bei den Frauen um 5,1 Prozentpunkte, bei den Männern um 3,2 Prozentpunkte innerhalb eines Quartals angestiegen.
Andererseits sind Frauen in Berufen, die sich in der Corona-Krise als gesellschaftlich besonders wichtig erweisen haben, besonders häufig tätig. Als „Systemerhalterinnen“ im Gesundheits- und Pflegesektor, im Lebensmitteleinzelhandel, im Sozialwesen, in Schulen und Kindergärten und als Reinigungskräfte haben sie das Land während der Krise aufrechterhalten. Zwar wurden sie als Heldinnen der Krise beklatscht, finanzielle Anerkennung für ihre Leistung haben die allermeisten von ihnen nicht bekommen. Im Gegenteil: Die Frauen in systemerhaltenden Branchen werden zum Großteil unterdurchschnittlich entlohnt. Sie arbeiten zu atypischen Zeiten, häufig nachts oder am Wochenende. Zeit- und Termindruck sind vor allem im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich, aber auch im Einzelhandel sehr hoch. Aufgrund der erheblichen körperlichen und psychischen Belastungen kann sich ein großer Teil der Systemerhalterinnen nicht vorstellen, bis zum Pensionsantrittsalter zu arbeiten.
Kündigungen und Verdichtung der Arbeit
Dass der Arbeitsdruck während der Krise angestiegen ist, bestätigt auch eine Online-Befragung der Arbeiterkammer. Erhoben wurde, wie sich im Juli und August 2020 die Arbeitssituation für die befragten Beschäftigten verändert hat. Die Reaktionen der Unternehmen auf die COVID-Krise waren unterschiedlich. Während ein Großteil der Unternehmen auf Kurzarbeit setzte, kam es in anderen zu Kündigungen. Insgesamt lag die Zahl der Arbeitslosen während des Befragungszeitraumes um rund 100.000 Personen höher als im Jahr zuvor. Zudem gaben rund 58 Prozent der StudienteilnehmerInnen an, dass in ihrem Unternehmen dieselbe Arbeitsmenge mit weniger MitarbeiterInnen bewältigt würde. Schon vor Corona beklagten Beschäftigte die Arbeitsverdichtung und den Zeitdruck, vor allem im Gesundheits- und Sozialbereich. Personalmangel und Pflegenotstand zeigen sich besonders deutlich in der gegenwärtigen Gesundheitskrise und werden in Zukunft mit dem Älterwerden der Bevölkerung noch virulenter werden.
„Flexibilitätspuffer“: Frauen in Teilzeit
Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihre tatsächlich geleistete Erwerbsarbeitszeit im Vergleich zu der Zeit vor COVID verändert hat. Frauen waren davon besonders betroffen. Das ist wenig überraschend, denn Teilzeitbeschäftigte – zu über 80 Prozent Frauen – galten schon vor Corona-Zeiten als„Flexibilitätspuffer“, ebenso wie andere atypisch Beschäftigte wie LeiharbeitnehmerInnen und geringfügig Beschäftigte. So haben Frauen häufiger die Arbeitszeit reduziert als Männer. Das lässt sich teils mit der Anwendung von Kurzarbeit und anderen Formen der Arbeitszeitverkürzung in von der Krise stark betroffenen frauendominierten Branchen wie Gastronomie und Hotellerie erklären.
Auf den ersten Blick erstaunt der Befund, dass mehr Frauen als Männer angeben, ihre Arbeitszeit seit März erhöht zu haben. Doch auch das lässt sich teilweise dadurch erklären, dass Frauen überdurchschnittlich oft in „krisenrelevanten“ Branchen arbeiten, wie insbesondere im Pflegebereich und im Handel, in dem die Arbeitsbelastung gestiegen ist.
Mehrfachbelastungen betreffen vor allem Frauen
Werden ausschließlich die Personen mit Betreuungsverpflichtungen im selben Haushalt betrachtet, zeigt sich, dass Frauen häufiger von einer Doppelbelastung betroffen waren. Rund 20 Prozent der Frauen mit Kindern oder pflegebedürftigen Personen im selben Haushalt hatten höhere Arbeitszeiten zu leisten. Im Vergleich dazu betraf das 11 Prozent der befragten Männer.
Eltern – und insbesondere Mütter – waren während der Ausgangsbeschränkungen von Mehrfachbelastungen betroffen. Bereits vor der Pandemie haben Frauen den weitaus größeren Teil der unbezahlten Kinderbetreuungs-, Pflege- und Haushaltsarbeit übernommen als Männer. Während des Lockdowns haben Frauen noch mehr der unbezahlten Arbeit übernommen, vor allem die Kinderbetreuung inklusive Home-Schooling – selbst wenn vor Corona-Zeiten die Eltern sich die Kinderbetreuung annähernd gleich aufgeteilt haben. Mütter haben im Schnitt 14,5 Stunden täglich gearbeitet, 9,5 Stunden davon unbezahlt, Väter 13,5 Stunden, 7 davon unbezahlt. Alleinerzieherinnen haben die höchste tägliche Stundenanzahl an unbezahlter Arbeit verrichtet (15 Stunden pro Tag, 9 davon unbezahlt).
Gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit
Die Beschäftigten in systemerhaltenden Berufen arbeiten unterbezahlt und oft zu belastenden Bedingungen. Zum Großteil sind das Frauen, die außerdem noch zum überwiegenden Teil die Kinderbetreuung und Pflegearbeit in der Familie übernehmen. Kürzere und planbare Arbeitszeiten mit dem Ziel einer 35-Stunden-Woche können wesentlich dazu beitragen, bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern und zwischen Beschäftigten und Beschäftigungslosen gerechter aufzuteilen.
Die Aufwertung der Pflegearbeit bringt nicht nur mehr Gerechtigkeit für einen beträchtlichen Teil der Systemerhalterinnen, sondern wirkt auch dem Fachkräftemangel in diesem gesellschaftlich überaus wichtigen Bereich entgegen. Darüber hinaus müssen Anreize zur partnerschaftlichen Aufteilung der unbezahlten Familien- und Pflegearbeit verstärkt werden. Der Ausbau einer flächendeckenden, qualitätsvollen und leistbaren Kinderbetreuung als grundlegende Voraussetzung für Erwerbsbeteiligung und Jobchancen von Frauen ist auch in Zeiten des Homeoffice von größter Bedeutung.