Prozess gegen Antifaschisten endet mit Schuldspruch. Richter: „Sich gegen Polizei zu wehren, hat noch nie etwas gebracht“
Jahn B. beugt sich vornüber. Stützt die Ellbogen auf die Knie, rauft sich die Haare. Der Richter hat ihn soeben schuldig gesprochen. Der Student gehöre „sicher nicht zur Klientel“, die sonst vor Gericht sitzt. Auch die Staatsanwältin hat zuvor ausgeführt, man könne Jahn „sicher keinen Misshandlungsvorsatz“ nachweisen. Das wäre auch unglaubwürdig: schließlich ist B. schmächtig und höchstens 1,80 Meter groß, während der Geschädigte – der WEGA-Polizist Andreas U. – über athletische 1,90 Meter misst.
Dennoch habe Jahn fahrlässig gehandelt, als er sich gegen die Festnahme durch Andreas U. beim „Fest der Freiheit“ 2014 passiv wehrte. Dabei soll er U. so schwer verletzt haben, dass sich dieser eine Sehne im Unterarm riss. Jahns Verteidiger hatte zuletzt darauf verwiesen, dass mit einer solchen Verletzung keine Festnahme des Antifaschisten durch U. möglich gewesen wäre. Er zeigte sich überzeugt davon, dass das Verfahren keine Beweise für die Schuld seines Mandanten zu Tage gefördert habe. So hatte die Vernehmung insbesondere zweier Kollegen U.s am zweiten Verhandlungstag ergeben, dass diese „keine Widerstandshandlungen“ B.s bezeugen konnten. Tatsächlich hatten gut sechs Polizisten im Frühjahr ähnliches ausgesagt, U. mitgerechnet: „Er (Jahn, Anm.) hat nicht nach mir geschlagen, (…) keine Handlungen gegen mich gesetzt.“ Jahn habe lediglich gezerrt, wie „wenn man mit einem Hund spüt“, wild herumgestikuliert, jedoch nicht gezielt „auf mich“ hingeschlagen.
Im Sommer hatte das Gericht noch zwei Videos herangezogen, welche die Ereignisse mit einer Ausnahme von acht Sekunden dokumentierten. In eben diesen acht Sekunden soll Jahn jene Widerstandshandlung gegen U. vollzogen haben, die kein Beamter gesehen hat. Der Student gesteht sogar ein, dass es ein Fehler war, sich in die Festnahme von Hüseyin S. einzumischen, aber er habe sicher keinen Polizisten schädigen wollen.
Doch weder dieser Schlusssatz, noch die Aussagen der Polizisten oder der mildernde Umstand, dass sich der Angeklagte zum ersten Mal vor Gericht zu verantworten hat, noch der Mangel an Beweisen helfen Jahn heute. Der Schuldspruch des Richters ist hart: Jahn muss binnen vierzehn Tagen 14.832 Euro an U. überweisen. Die Summe ergibt sich aus OP-Kosten, Therapien und Verdienstentfall. Außerdem soll er für alle (sic!) künftigen Folgekosten aufkommen.
Jahn sei „sicher kein gewalttätiger Mensch“, so der Richter. Es gebe aber genügend Wege, seinen Unmut gegenüber Polizeimaßnahmen auch ohne Einmischung in solche zu äußern. Gleich darauf lässt er sich zu einem gewagten Kommentar herab: „Sich gegen die Polizei zu wehren hat noch nie etwas gebracht.“
Damit endete der Prozess gegen Jahn B. am Wiener Straflandesgericht vorläufig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Wer das Urteil gegen Jahn B. unfair findet, ist aufgerufen, für ihn zu spenden:
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Die Aussage des Richters. „sich gegen die Polizei zu wehren hat noch nie etwas gebracht“ ist ein Anfechtungsgrund par excellence. Hier wird das tief verwurzelte Unrecht: „die Polizei hat immer recht“ zur Befangenheit, wie sie schöner gar nicht sein kann. Dieser Ausspruch bedeutet nichts anderes, als dass die Schuld des Angeklagten schon von vornherein feststand und die Beweiswürdigung durch den Richter eine reine Farce war. Das Urteil ist nichtig weil der Richter befangen war und dies nicht wahrgenommen hat.