Unsere Zeitung nimmt sich wegen der kommenden Proteste gegen Norbert Hofer dem Vorwurf an, Demos hätten noch nie etwas gebracht. Den Anfang dieser Serie machen Frauenrechtlerinnen.
Als die Offensive gegen Rechts (OgR) und die HochschülerInnenschaft (ÖH) nach dem wenig überraschenden ersten Gang zur Bundespräsidentenwahl ankündigten, gegen den blauen Kandidaten Norbert Hofer demonstrieren zu wollen, gingen die Wogen hoch. Da gab es PuristInnen, die das fraglos wichtige Wahlrecht als höchstes Gut betrachten. Ihr Argument lautet: EinE DemokratIn hat den vermutlichen Wahlsieg des Burschenschafters „gefälligst“ zu akzeptieren. Eine „linksversiffte“, wahlweise „linksfaschistische rotgrüne Minderheit“ aus „Gutmenschen“ dürfe sich nicht über das Wahlvolk hinwegsetzen, habe dieses zu akzeptieren. Dem eilen rote und schwarze Kader voraus, welche sich zu fein sind, klar gegen Hofer Stellung zu beziehen.
Dann gibt es noch ernstere KritikerInnen, die fragen, ob Proteste Maria und Max Österreicher nicht davon abschrecken, zumindest für Van der Bellen zu stimmen und solche, die fragen, warum die OgR nicht (anstatt gegen Hofer) für den grünen Kandidaten auf die Straße geht.
Hände falten, Goschn halten?
Das Bündnis hat eine ausführliche Stellungnahme zu vielen dieser Fragen veröffentlicht. Ausgerechnet die Antwort auf die zuvor genannten fällt kurz aus:
„Natürlich werden wir in unserem Umfeld Nichtwähler_innen, so es sie gibt, dazu bringen wollen VdB zu wählen. Man kann aber nicht übersehen, dass VdB große Teile der österreichischen Bevölkerung nicht erreichen kann. Was diese Menschen aber womöglich eher erreicht, ist die Aussicht auf einen Rechtsextremisten als Staatsoberhaupt. Dazu kommt: Es ist durchaus legitim, VdB eigentlich nicht wählen zu wollen. (…)“
Dazu kann jedeR nach Belieben stehen. Darüber hinaus gibt es auch KritikerInnen, welche die Waffen streckten, noch ehe der heiße Wahlkampf begann. Man kennt das: Wahlen ändern nichts, Demos noch weniger. Lautet die Devise also auf gut Österreichisch „Hände falten, Goschn halten“?
Die Fischweiber
Solche Auffassungen münden seit jeher in autoritäre Chaos-Phrasen. Nehmen wir etwa einen Paris-Bericht der Wiener Zeitung vom 21.10.1789:
„[A]m folgenden Tage, gegen 9 Uhr Morgens zeigte sich eine übergrosse Anzahl Weiber auf dem Greveplatze vor dem Rathhause, die aus vollem Halse nach Brod schrien. (…) [S]ie drangen daher schaarenweise in das Rathhaus, und mit ihnen ein Schwarm bewaffneter Männer (…).“
Sie bemächtigten sich dann Gewehren, Pulver und Munition. Auch das Gerücht ging um, die Königin horte Weizen und der König wolle die Entwicklung der Verfassung aufhalten. So zogen mehrere tausend Personen von den Rathaus-StürmerInnen angeführt nach Versailles und zwangen den Hof, nach Paris zurückzukehren. Da die RebellInnen im Kern mit Fisch handelnde Marktfrauen waren, erinnern sich gute Quellen dieser als Fischweiber, als Zug der Frauen auf Versailles. Natürlich besserte sich die Lage der Frau danach nur schleichend und bis ins 20. Jahrhundert wartete sie vergeblich auf volle politische Rechte.
Die Praterschlacht
In Österreich war es nicht besser. Bis in die 1970erjahre mussten sich Frauen hierzulande bei ihrer Berufswahl die Genehmigung von ihren Ehemännern einholen. Nichtsdestotrotz waren sie schon lange zuvor erwerbstätig, etwa als Erdarbeiterinnen in der Brigittenau. Als im Revolutionsjahr 1848 der Lohn für diese und zahlreiche KinderarbeiterInnen um 25 Prozent bzw. ein Drittel täglich gesenkt wurde, kam es am 21. August zur ersten dokumentierten Frauendemonstration hierzulande. Zwei Tage später zog ein weiterer Marsch durch den Prater. Die Nationalgarde griff diesen an. Bei dieser Auseinandersetzung starben 18 Arbeiter und vier Soldaten, 282 Personen wurden verwundet – darunter viele Frauen. Die Praterschlacht war 1848 der markanteste proletarische Aufstand in Wien. Die Bourgeoisie distanzierte sich von der Demonstration und wandte sich dem Adel zu. Die Revolution hielt sich noch bis in den späten Herbst.
Kaputte Fenster
Frauen betätigten sich immer schon in politischen Organisationen. Der sozialistische Frauenkongress in Kopenhagen 1910 etwa beschloss auf Initiative von Clara Zetkin die Abhaltung eines internationalen Frauentages, der seit 1921 jährlich am 8. März begangen wird. Neben der sozialen Frage war Zetkin und ihren GenossInnen das Frauenwahlrecht wichtig. Dieses Anliegen teilten auch Bürgerliche, vor allem die britischen und nordamerikanischen Suffragetten. In Großbritannien fielen sie durch eingeworfene Fensterscheiben, durch aufsehenerregenden Aktionismus, gesprengte Briefkästen und immer auch Demos auf, nicht selten gleichzeitig. Nach dem Ersten Weltkrieg gelang es Frauenrechtlerinnen von Russland über Österreich bis nach Irland nicht nur, wählen zu gehen, sondern sich auch selbst wählen zu lassen und sogar in Regierungen einzutreten. Dort, wo man Frauen Rechte immer noch verweigert, gehen sie gleich diesen Vorbildern seit Paris auf die Straße.