Griechenland und der Traum vom warmen Eislutscher

tsiprasDas griechische Linksbündnis SYRIZA könnte bei den Wahlen am 25. Jänner stärkste Kraft werden. Es will den rigiden Kürzungskurs beenden aber gleichzeitig den Euro behalten und EU-Mitglied bleiben. Ein Kommentar von Hanno Wisiak*

Auch im dritten Anlauf erhielt keiner der Präsidentschaftskandidaten im Griechischen Parlament die erforderliche Mehrheit. Es muss also neu gewählt werden.

Linksbündnis auf Platz 1?

Umfragen zufolge könnte die „Koalition der radikalen Linken“ mit über 30 Prozent zur stärksten Partei werden. Mehrfach hatte Alexis Tsipras, SYRIZA-Chef und Shooting-Star der Europäischen Linkspartei (ELP), angekündigt, nach einem Wahlsieg den strikten Kürzungskurs, der zu sozialer Zerrüttung und wirtschaftlichem Niedergang geführt hat, zu beenden. Das politische Establishment Griechenlands hatte willfährig die Vorgaben der Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfond und EU-Kommission umgesetzt. Damit das so bleibt, wird das griechische Wahlvolk unverhohlen erpresst: „Ich denke, die Griechen wissen sehr genau, was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Eurozone bedeuten würde“, droht der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Wenn Griechenland einen anderen Weg einschlägt, wird es schwierig“, erhebt auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble den Zeigefinger.

Entweder – Oder!

Am Euro und der EU-Mitgliedschaft will Tsipras auch nicht rütteln. Die neoliberale Zerstörung Griechenlands zu beenden und gleichzeitig den Euro zu behalten, ist jedoch – aus linker wie aus bürgerlicher Sicht – ein Traum vom warmen Eislutscher. SYRIZA würde sich, sollten sie als Siegerin aus der Wahl hervorgehen, zwischen politischer und sozialer Glaubwürdigkeit auf der einen Seite und Verbleib in der EU bzw. der Währungsunion auf der anderen entscheiden müssen. Wenn sie dem Druck nachgäbe, würde sie zur neuen sozialdemokratischen Handlanger-Partei. (Eine solche, die ehemalige Groß- und Massenpartei PASOK, der nicht wenige jetzige SYRIZA-Abgeordnete entstammen, ist mittlerweile nutz- und bedeutungslos.) Wenn SYRIZA dem Druck standhielte, würde Griechenland zwar hochkantig aus der Euro-Zone fliegen, könnte jedoch eine soziale Entwicklung einleiten, die wiederum ein Startschuss für eine soziale Entwicklung in vielen anderen Ländern sein könnte.

Diese Hoffnung, die viele Linke in einen Wahlsieg der SYRIZA setzen – und manche projizieren –, ist angesichts der politischen Tristesse in Kerneuropa verständlich, die euphorische Zuversicht, dass sich dadurch automatisch und grundlegend etwas ändert, ist es nicht.

Man kann es drehen und wenden wie man will: Sozialer und demokratischer Fortschritt ist nur jenseits der EU – und gegen sie – möglich.

*Hanno Wisiak ist Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Graz-Geidorf, Mitglied des Sekretariats der KPÖ Steiermark und schreibt für ‚Unsere Zeitung‘.

Der Kommentar erschien am 30. Dezember 2014 auf seinem Blog wisiak.wordpress.com

Bild: Alexis Tsipras bei einer Kundgebung in Bologna anlässlich der Wahlen zum EU-Parlament 2014. (Foto: Lorenzo Gaudenzi/CC BY-SA 3.0)

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