Bei dem verzweifelten Versuch, Europa zu erreichen, sind allein dieses Jahr 1.600 Menschen gestorben oder wurden als vermisst gemeldet. Der aktuelle UNHCR-Bericht „Desperate Journeys“ zeigt anhand empirischer Daten auf, dass die Überquerung des Mittelmeers heuer noch tödlicher geworden ist. Besonders auf der zentralen Mittelmeerroute starb oder verschwand zwischen Januar und Juli 2018 jeder 18. Mensch.
Obwohl die Gesamtzahl der nach Europa flüchtenden Menschen zwar drastisch zurückgegangen ist – gegenüber dem Vorjahr um weitere 41 Prozent – stieg die Zahl der Todesopfer auf fast das Dreifache von 2015 und fast das Doppelte von 2016 an. Laut IOM sind dem Mittelmeer zuvor – seit der Jahrtausendwende bis 2017 – schon insgesamt rund 34.000 Menschen zum Opfer gefallen.
„Es stellt sich nun nicht mehr die Frage, ob Europa die Ankunftszahlen bewältigen kann, sondern ob es sich menschlich genug zeigt, Leben zu retten“, sagte UNHCR EU-Direktorin Pascale Moreau.
Gründe für die dramatisch steigende Sterblichkeitsrate im Mittelmeerraum sind dem Bericht zufolge die Unterstützung der libyschen Behörden zur Verhinderung von Seeüberquerungen, weitere Einschränkungen der Arbeit von NGOs bei Such- und Rettungseinsätzen, sowie der Anstieg von Schiffsunglücken, nachdem Italien ab Juni die meisten Rettungsschiffe an einer Anlandung hinderte. Die meisten Flüchtenden kamen heuer aus Syrien, dem Irak und Guinea, Westafrika.
Der UNHCR-Report skizziert aber auch die Gefahren, denen Flüchtlinge auf dem Landweg nach Europa und teilweise sogar in Europa selbst ausgesetzt sind und fordert die EU-Staaten dazu auf, Schutzsuchenden schnellen Zugang zu Asylverfahren zu gewähren und Mechanismen zum Schutz von unbegleiteten Kindern zu stärken. Außerdem ist Europa aufgerufen, mehr sichere und legale Fluchtwege zu eröffnen, eine größere Anzahl von Resettlement-Plätzen und die Erleichterung von Familienzusammenführungen zu ermöglichen.
Verfehlte Asylpolitik auch in Österreich – wo bleibt die „Hilfe vor Ort“?
Die Zahl von Flüchtlingen nimmt weltweit zwar zu, die Zahlen derer, die in Österreich ankommen, sinken aber deutlich. Die meisten Menschen fliehen aus Konfliktgebieten, für die keine Lösung in Sichtweite ist. In einer Zeit, in der weltweit mehr als 65 Millionen auf der Flucht sind und 800 Millionen Menschen an Hunger leiden, muss die österr. Bundesregierung ihr Vorhaben, sich für diese ärmsten Menschen vor Ort einzusetzen, ernst nehmen. So lautete ein Appell der großen NGOs Österreichs, die in Sorge sind, dass die aktuelle Asylpolitik nicht mehr primär dem Schutz von Flüchtlingen dient, sondern nur mehr dem Schutz von Grenzen.
Denn eigentlich gehörte die „Hilfe vor Ort“ zu den Stehsätzen im letzten Wahlkampf: „Mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit und Fluchtursachen bekämpfen“, hieß es vor allem von Seiten des heutigen Bundeskanzlers Kurz. Doch kaum in der Regierung, kürzten ÖVP und FPÖ die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) statt sie aufzustocken. Schon 2017 investierte Österreich nur 0,3 Prozent des Bruttonational-Produkts in die EZA, was weit unter dem OECD-Schnitt lag.
Die versprochene Verdoppelung der Mittel für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit bis 2021 ist mit dem Budget 2018/19 abgesagt. Denn dafür fehlen heuer 15,5 Millionen und für 2019 sogar 36,5 Millionen Euro. Aus der versprochenen „Verdreifachung“ der AKF-Mittel wurde lediglich eine vage „Erhöhung“. Von der beschworenen „Hilfe vor Ort“ ist wenig übriggeblieben. Statt mehr Geld, budgetiert die Regierung sogar um ein Viertel weniger. Statt 20 Millionen gibt es künftig nur noch 15 Millionen für den Fonds.
Amnesty International, Ärzte ohne Grenzen, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und Volkshilfe fordern daher in einem offenem Brief an die Regierung u.a. auch eine Steigerung der bilateralen direkten Entwicklungszusammenarbeit um jährlich 15 Mio. Euro bis 2021 sowie eine Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds.