Theodora Bauers neuer Roman „Chikago“ – Sonntag ist Büchertag von Cornelia Stahl
In Cuxhaven, in den alten HAPAG-Hallen, kann man das Warten der Auswanderer nachempfinden, die sich in den 1920er Jahren und danach auf den weiten Weg nach Amerika machten. Im Auswanderermuseum Bremerhaven können Besucher die Schicksale unzähliger Menschen nachverfolgen. Dass die langen Schiffsreisen über den großen Teich alles andere waren als Abendteuerreisen, erfahren wir in Theodora Bauers neuem Roman „Chikago“. Für die Recherche reiste die Autorin nach Deutschland und Chikago, um die Geschichten der Auswanderer, speziell der Burgenlandkroaten, nachzuempfinden und nachzuerzählen.
Die Hauptprotagonisten sind zwei Schwestern, Anica und Katica, sowie Ferenc, der Verlobte Katica´s. Die Handlung spielt Anfang der 1920er Jahre im Burgenland, einem Landstrich, der geprägt ist von Armut und Hungersnot. Alle Familien erträumen sich eine bessere Welt, ein Leben ohne Verzicht. Naheliegend, dass sie in dieser Situation von Amerika träumen, wo der Bruder des Verlobten lebt und über einen überschaubaren Wohlstadt verfügt. Ferenc will seinem Bruder nacheifern, greift jedoch zu merkwürdigen Mitteln: er schließt sich einer Schmugglerbande an, um rasch Geld zu verdienen und erschießt einen Gendarmen. Alle Drei, Annica, Katica und Ferenc, ergreifen die Flucht, machen sich übereilt auf den Weg nach Amerika, führen einen blinden Passagier mit sich, denn Katica verschweigt eisern ihre Schwangerschaft. Ob das gutgehen wird? Nach dem Tod der Schwester bei der Geburt des Sohnes und der Trunksucht des Vaters hält Anica die Fäden in der Hand, wird Hausangestellte in einer wohlhabenden Familie und kümmert sich um den kleinen Josip, der bald zu einem kräftigen jungen Mann heranwächst. Als 1938, im Jahr des Anschlusses in Österreich die Deutschen einmarschieren, findet Josip Gefallen am Nationalsozialismus.
Theodora Bauer, geboren 1990 im Burgenland, erzählt in eigenem Sprachstil, wie schon im Roman „Das Fell der Tante Meri“. Fragen von Macht und Einfluss werden indirekt gestellt. Die Suggestion von der „Machbarkeit“ eines gelingenden Lebens schwingt im Subtext mit. Erschreckend sind die Parallelen zur Gegenwart, die im Roman erkennbar sind. Ein spannend geschriebener Roman, der eine Lücke in der Geschichte Österreichs schließt.
Radiojournalistin Cornelia Stahl von Radio Orange („Literaturfenster Österreich“) traf die Jungautorin zum Interview:
Theodora Bauer: Chikago.
Wien: Picus-Verlag, 2017,
254 S., ISBN: 978-3-7117-2052-8
Titelbild: Theodora Bauer (Foto: Paul Feuersänger)
Sonntag ist Büchertag:
Bisher:
- „Kinder der Tage“ (Eduardo Galeano)
- „Familie Salzmann“ (Erich Hackl)
- „Deutsche Demokratische Rechnung. Eine Liebeserzählung“ (Dietmar Dath)
- Über Kurt Tucholsky
- „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ (Richard David Precht)
- „Der Aufstand des Gewissens“ (Jean Ziegler)
- „Superhenne Hanna“ (Felix Mitterer)
- „Die Diktatur des Kapitals“ (Hannes Hofbauer)
- „Die schützende Hand“ (Wolfgang Schorlau)
- „Hitler war kein Betriebsunfall“ (Emil Carlebach)
- „Heldenplatz“ (Thomas Bernhard)
- „Zwölfeläuten“ (Heinz R. Unger)
- „MARX“ – Graphic Novel (Corinne Maier, Anne Simon)
- „Gefährliche Bürger“ (Christoph Giesa und Liane Bednarz)
- „Ändere die Welt. Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen“ (Jean Ziegler)
- „Der Implex. Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee“ (Dietmar Dath & Barbara Kirchner)
- Die Viertel der Reichen (Louis Aragon)
- „Wie Italien an die Räuber fiel“ (Gerhard Feldbauer)
- „berlin. bleierne stadt“ (Jason Lutes)
- „Das war Österreich“ (Robert Menasse)
- „Narr“ von Schilddorfer & Weiss
- „Fußball. Eine Kulturgeschichte“ (Klaus Zeyringer)
- „Reisen in das Land der Kriege“ (Kurt Köpruner)
- „The magic Pen – Der Zauberstift“ (Kathrin Steinbacher)
- „Rückkehr nach Reims“ (Didier Eribon)
- ISLAMISCHER STAAT & Co. (Werner Ruf)
- „Die Welt von gestern – Erinnerungen eines Europäers (Stefan Zweig)
- Freud und das Politische (Moshe Zuckermann)
- „LONDON. Unterwegs in einer umkämpften Metropole“ (Peter Stäuber)
- „Der Tote im Bunker“ (Martin Polack)
- „Antonia war schon mal da“ (Patrick Wirbeleit)
- „Hinter den Barrikaden – Eine Reise durch Nordkurdistan im Krieg“ (Lower Class Magazine)
- „Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht“ (Peter Nowak)
- „Die Wut wächst“ (Oskar Lafontaine)
- „Postkapitalismus“ (Paul Mason)
- Proleten, Pöbel, Parasiten (Christian Baron)
- „Jenseits von 1984″ (Sandro Gaycken)
- „Erinnerungen aus dem Widerstand“ (Margarete Schütte-Lihotzky)
- CETA – Lesen und verstehen. (Analyse des EU-Kanada-Freihandelsabkommens)
- Die globale Überwachung (Glenn Greenwald)
- „Die Wörter fliegen“ (Jutta Treiber)
- „erfasst, verfolgt, vernichtet“ (Ausstellungskatalog)
- „Verwirrung der Gefühle“ (Stefan Zweig)
- „Kalendergeschichten“ (Bertolt Brecht)
- „Kryptozän“ (Pola Oloixarac)
- „Die Europäische Union“ (Andreas Wehr)
- „Ich war Zwangsarbeiterin bei Salamander“ (Vera Friedländer)
- „Emotionale Erpressung – Wenn andere mit Gefühlen drohen.“ (Susan Forward)
- „Generation Erdoğan. Die Türkei – ein zerrissenes Land im 21. Jahrhundert.“ (Çiğdem Akyol)
- „Thomas Sankara – Die Ideen sterben nicht!“ (AfricAvenir)
- „Zarah und Zottel. Ein Pony auf vier Pfoten“ (Jan Birck)
- „Erwachen – In einer andern Welt“ (Andreas Kollross)
- „Erdmännchen Gustav – Kunstraub im Museum“ (Ingo Siegner)
- „Out Demons Out“ (Walter Kohl)
- „Mathematik für Sonntagmorgen“ (George Szpiro)
- Kleiner Dreckspatz Aurelia – Wasch dich doch mal! (Dorothea Flechsig)
- „46 Fragen zur nachkapitalistischen Zukunft“ (Meinhard Creydt)
- „Willkommen in Österreich“ (Ferry Maier/Julia Ortner)
- „Ein Jude in Neukölln. Mein Weg zum Miteinander der Religionen“ (Ármin Langer)
- „Eddy, der Elefant, der lieber klein bleiben wollte“ (Hans Traxler)
- Populismus für Anfänger – Anleitung zur Volksverführung (Ötsch/Horaczek)